BGH, Urteil v. 17.2.2011 – III ZR 36/10 – Sperrung des Mobilfunkanschlusses bei Zahlungsverzug

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

III ZR 36/10

Verkündet am: 17. Februar 2011

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 2011 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dörr, Wöstmann, Seiters und Tombrink

für Recht erkannt:

Die Revisionen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 22. Januar 2010 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrechtszugs werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger – eine qualifizierte Einrichtung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 4 UKlaG – beanstandete fünf Klauseln der von dem beklagten Telekommunikationsunternehmen in Verträgen mit Verbrauchern über Mobilfunkdienstleistungen verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Zu den beanstandeten Klauseln gehören die folgenden im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen zwei Klauseln:

„8. Verzug

8.1 Bei Zahlungsverzug des Kunden ist T-M. berechtigt, den Mobilfunkanschluss auf Kosten des Kunden zu sperren, wenn die Forderung, mit deren Zahlung der Kunde in Verzug ist, mindestens 15,50 € beträgt. [Der Kunde bleibt in diesem Fall verpflichtet, die monatlichen Preise zu zahlen.]

…….

12. Nutzung durch Dritte

12.3 Preise, die durch eine unbefugte Nutzung des Anschlusses entstanden sind, hat der Kunde zu zahlen, wenn und soweit er die unbefugte Nutzung zu vertreten hat.“

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Beklagte hat nach teilweiser Berufungsrücknahme ihren Antrag auf Abweisung der Klage in Bezug auf die beiden im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Klauseln weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich der von der Beklagten verwendeten Klausel Nr. 12.3 abgewiesen. Die weitergehende Berufung hinsichtlich der Klausel Nr. 8.1 hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen der Kläger sein Unterlassungsbegehren bezüglich der Klausel Nr. 12.3 und die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Klausel Nr. 8.1 weiter.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte hinsichtlich der Klausel Nr. 12.3 in ihren Verträgen verneint. Es handele sich hier nicht um eine Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen, die dem Klauselverbot des § 309 Nr. 5 BGB unterfalle. Die mit der Klausel Nr. 12.3 bezweckte rechtsgeschäftliche Zurechnung desjenigen Nutzungsverhaltens unbefugter Dritter, das vom Kunden zu vertreten sei, benachteilige diesen nicht unangemessen gemäß § 307 BGB.

Hinsichtlich der Klausel Nr. 8.1 stehe dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Das der Beklagten mit der Klausel über § 320 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 321 Abs. 1 BGB hinaus eingeräumte Recht, den Mobilfunkanschluss des Kunden auf seine Kosten bei weiter laufender Grundgebühr ohne weitere Androhung vollständig zu sperren, sobald er mit Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 15,50 € in Verzug geraten sei, benachteilige ihn unter Verstoß gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen. Dies sei nicht anders, wenn der durchschnittliche monatliche Umsatz der Beklagten aus Mobilfunkverträgen bei Privatkunden bei ca. 35 € (ohne Mehrwertsteuer) liegen sollte, wie die Beklagte behaupte. Für den Festnetzbereich ergebe sich aus § 45k Abs. 2 TKG, dass die Durchführung einer Sperre wegen Zahlungsverzugs nur bei einem rückständigen Betrag von 75 € möglich sei. Es sei nicht ersichtlich, warum dieser Betrag im Mobilfunkbereich auf wenig mehr als 1/5 reduziert werden dürfe.

II. Revision des Klägers

Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Das Berufungsgericht hat zutreffend einen Unterlassungsanspruch des Klägers bezüglich der Verwendung der Klausel Nr. 12.3 in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten verneint. Die Klausel hält einer Inhaltskontrolle stand.

1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klausel Nr. 12.3 nicht eine Schadensersatzpauschalierung enthält, sondern eine Verpflichtung zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts

a) Im Zusammenhang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen gilt der Grundsatz der objektiven Auslegung. Danach sind diese ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (Senatsurteil vom 29. Mai 2008 – III ZR 330/07, NJW 2008, 2495 Rn. 19 mwN). Nur wenn nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmethoden Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar sind, kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung, bei der im Verbandsprozess die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen ist (Senatsurteil aaO Rn. 20 mwN). Völlig fern liegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des Rechtsverkehrs ernsthaft nicht zu befürchten ist, haben dabei außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 10. Mai 1994 – XI ZR 65/93, NJW 1994, 1798, 1799 mwN).

b) Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers ist eine Auslegung der Klausel Nr. 12.3 als pauschalierter Schadensersatz zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, aber so fern liegend, dass eine solche Sichtweise außer Betracht zu bleiben hat.

Der Abschnitt, in dem die betreffende Klausel steht, ist mit „Nutzung durch Dritte“ überschrieben und enthält keinerlei Bezug zu schadensersatzrechtlichen Klauseln. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Klägers unerheblich, dass die unmittelbar davor stehende Klausel Nr.12.1 Pflichten des Schuldners aus dem Schuldverhältnis regelt. Soweit die Klausel es dem Kunden verbietet, ohne vorherige Erlaubnis von T-M. den überlassenen Anschluss Dritten zur gewerblichen Nutzung zu überlassen, wird dabei keine Aussage zu irgendwelchen finanziellen Konsequenzen für den Kunden im Falle eines Verstoßes gemacht.

Auch der Umstand, dass bei einer Nutzung durch Dritte der Kunde nur bei Vertretenmüssen zur Zahlung verpflichtet ist, rechtfertigt nicht den Schluss, es handele sich bei der Klausel um die Begründung eines pauschalierten Schadensersatzanspruchs. Vielmehr ist die Formulierung ersichtlich an den inzwischen außer Kraft getretenen § 16 Abs. 3 Satz 3 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) vom 11. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2910) angelehnt, wonach Verbindungsentgelte vom Kunden nicht gefordert werden konnten, wenn der Netzzugang in einem vom Kunden nicht zu vertretenden Umfang benutzt wurde (vgl. auch Senatsurteil vom 4. März 2004 – III ZR 96/03, BGHZ 158, 201, 205).

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass nunmehr § 45i Abs. 4 TKG nicht mehr auf das Tatbestandsmerkmal des Vertretenmüssens, sondern auf das der Zurechenbarkeit abstellt. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt (BT-Drucks. 15/5213 S. 22), entspricht die Regelung des § 45i TKG in großen Teilen § 16 TKV. Eine inhaltliche Änderung war mit der geänderten Formulierung nicht beabsichtigt.

2. Unter Zugrundelegung des obigen Auslegungsergebnisses hält die angegriffene Klausel auch im Übrigen einer Inhaltskontrolle stand.

a) Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 5 BGB scheidet aus, da es sich nicht um die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzes handelt.

b) Die Klausel ist auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die Klausel Nr. 12.3 benachteiligt die Kunden der Beklagten nicht in unangemessener Weise.

aa) Der Senat hat schon zum Telefondienstvertrag im Festnetzbereich ausgeführt, dass auch bei der Nutzung der Telefondienstleistungen durch Dritte eine Entgeltpflicht des Anschlussinhabers in Betracht kommt, wenn er die Nutzung des Dritten zu vertreten hat (Senatsurteil vom 16. März 2006 – III ZR 152/05, BGHZ 166, 369 Rn. 19). An diesen Grundsätzen, die der Senat an § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV ausgerichtet hat, hat sich durch das Inkrafttreten des § 45i Abs. 4 TKG und das Außerkrafttreten von § 16 Abs. 3 Satz 3 TKV nichts geändert. Wie bereits ausgeführt hat der Gesetzgeber insoweit mit § 45i TKG den Regelungsgehalt des § 16 TKV im Wesentlichen übernommen.

bb) Die Abgrenzung der Risikobereiche im Hinblick auf das Vertretenmüssen im Festnetzbereich ist auch beim Mobilfunkvertrag angemessen (vgl. Schöpflin, BB 1997, 106, 111; Eckert in Schuster, Vertragshandbuch Telemedia, 2001, S. 524 Rn. 90; wohl auch Hahn MMR 1999, 586, 589 ff; siehe auch Kropf/Harder in Spindler, Vertragsrecht der Telekommunikationsanbieter, 2000, Teil 5 Rn. 104 ff, die jedoch eine Höchstbetragsbegrenzung im Fall der unverzüglichen Anzeige des Verlusts der SIM-Karte beim Telefonanbieter für erforderlich halten). Ohne Erfolg bleibt der Einwand des Klägers, die Grundsätze über die Haftung des Inhabers eines Festnetzanschlusses für die Inanspruchnahme von Telefondienstleistungen durch Dritte könnten nicht auf den Mobilfunkvertrag übertragen werden.

Die Interessenlage im Hinblick auf die unberechtigte Nutzung durch Dritte unterscheidet sich beim Mobilfunkvertrag nicht grundlegend von derjenigen beim Festnetzvertrag. Auch bei der Erbringung von Mobilfunkdienstleistungen handelt es sich um ein praktisch vollständig technisiertes, anonymes Massengeschäft. Die Beklagte nimmt von der konkreten Person des die Mobilfunkdienstleistung Abrufenden ebenso wenig Kenntnis wie beim Festnetzanschluss. Sie kann deshalb nicht beurteilen, ob das Abrufen der Mobilfunkdienstleistung mit Billigung des Kunden erfolgt. Sie muss sich darauf verlassen können, dass dieser beim Gebrauch seines Mobiltelefons die erforderlichen Vorkehrungen trifft, damit Unbefugte keinen Zugriff auf Mobilfunkdienstleistungen mittels der ihm überlassenen SIM-Karte erhalten. Vom Mobilfunkkunden zu verlangen, nach seinen Möglichkeiten eine unbefugte Nutzung Dritter zu unterbinden, benachteiligt diesen nicht unangemessen. Eine andere Frage ist, wie die Sorgfaltspflichten, die dem Kunden in seiner Risikosphäre obliegen, im Einzelnen beschaffen sind. Den besonderen Gefährdungen, etwa hinsichtlich des Verlusts der SIM-Karte, gegebenenfalls einschließlich des Mobiltelefons, die sich gerade aus dem Umstand ergeben, dass die Mobilfunkdienstleistung an jedem Ort und damit auch außerhalb der geschützten Sphäre der Wohnung des Anschlussinhabers zur Verfügung steht, kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Kunden nicht überspannt werden. Dies stellt jedoch die Wirksamkeit der hier fraglichen Allgemeinen Geschäftsbedingung unter dem Blickwinkel einer unangemessenen Benachteiligung der Kunden der Beklagten nicht in Frage.

cc) Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Klägers, im Falle einfachster Fahrlässigkeit sei die Haftung des Kunden auf das negative Interesse zu begrenzen. Ein Anhaltspunkt dafür ergibt sich aus dem dispositiven Schuldrecht nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein Kunde für die von ihm zu vertretende Nutzung des Mobilfunkanschlusses in vollem Umfang einzustehen hat. Eine Einschränkung der Leistungsverpflichtung des Kunden erfordert Treu und Glauben nicht, da die Beklagte als Anbieter der Mobilfunkdienstleistung keinerlei Verschulden an der unberechtigten Nutzung durch Dritte in diesen Fällen trifft.

III. Revision der Beklagten

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch hinsichtlich des Satzes 1 der Klausel Nr. 8.1 der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu.

a) Die Klausel unterliegt nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle, da sie das gesetzliche Zurückbehaltungsrecht nach §§ 320, 321 BGB ergänzt.

b) Die Klausel ist unwirksam nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, da sie die jeweiligen Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

aa) Bei der in Nr. 8.1 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelten Sperre des Mobilfunkanschlusses handelt es sich der Sache nach um ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf eine Vergütung für bereits zeitlich vorangegangene erbrachte Mobilfunkdienstleistungen, mit der sich der Kunde in Verzug befindet. Gesetzliches Leitbild, an dem die hier fragliche Klausel zu messen ist, sind die §§ 320, 321, 273 BGB. Bei einer Sperre des Mobilfunkanschlusses handelt es sich nicht um eine Beendigung des Vertragsverhältnisses, sondern lediglich um eine grundsätzlich auf vorübergehende Dauer angelegte Suspendierung der Leistungsverpflichtung der Beklagten. Das Recht zur Sperre entfällt, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Das beruht ebenso wie bei den gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch auf dem Grundgedanken, dass jede Vertragspartei das Recht hat, die ihr obliegende Leistung zu verweigern, bis die ihr gebührende Gegenleistung erbracht ist (vgl. Senatsurteil vom 12. Februar 2009 – III ZR 179/08, NJW 2009, 1334 Rn. 18).

bb) In den Blick zu nehmen sind hier insbesondere für das Zurückbehaltungsrecht §§ 320, 321 BGB. Die Mobilfunkdienstleistungen der Beklagten stehen im Gegenseitigkeitsverhältnis zu den vom Kunden zu zahlenden Entgelten für deren Erbringung.

(1) Die Anwendung der Norm ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagte hinsichtlich ihrer zu erbringenden Mobilfunkdienstleistungen zur Vorleistung verpflichtet ist. Trotz Vorleistungspflicht kann der Beklagten das Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB zustehen. Dies beruht darauf, dass es sich bei einem Mobilfunkvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2003 – III ZR 54/02, NJW 2003, 1237, 1238), das inhaltlich einem Dauerlieferungsvertrag entspricht. Denn die Beklagte muss ständig leistungsbereit sein, um die einzelnen vom Kunden abzurufenden, vergütungspflichtigen Dienstleistungen zu erbringen, ohne dass diese zuvor genau bestimmt sind (vgl. zum Dauerlieferungsvertrag Staudinger/Otto, BGB, Neubearbeitung 2009, § 320 Rn. 44; MünchKommBGB/Emmerich, 5. Aufl., § 320 Rn. 7). Die synallagmatische Verknüpfung der Leistungspflichten der Vertragsparteien des Mobilfunkvertrags ist deshalb hinsichtlich aller zu erbringender Teilleistungen beider Parteien gegeben. Dementsprechend ist es möglich, das Zurückbehaltungsrecht nach § 320 Abs. 1 BGB hinsichtlich noch zu erbringender Mobilfunkdienstleistungen auszuüben, auch wenn die mit ihr zeitlich korrespondierende (Teil-)Zahlungsforderung noch nicht entstanden oder fällig geworden ist; es genügt, dass die (fällige) Zahlung für zeitlich nicht korrespondierende vorangegangene zeitliche Abschnitte nicht erbracht worden ist (Schöpflin, aaO S. 110; Köhler, Der Mobilfunkvertrag, 2005, S. 205; Kropf/ Harder, aaO Rn. 164; vgl. auch Blank, Die Rechtsbeziehungen zwischen Anbietern und Endkunden im Sprachtelefondienst nach der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes, 2002, S. 196 f; a.A. Eckert, aaO S. 535 f Rn. 107; Grosskopf/Taubert, CR 1998, 603, 609: § 273 BGB ist einschlägig).

(2) Unter Berücksichtigung der kundenfeindlichsten Auslegung weicht die hier streitgegenständliche Klausel Nr. 8.1 Satz 1 in einer Treu und Glauben widersprechenden Weise von § 320 Abs. 2 BGB ab. Danach darf ein Gläubiger nicht seine gesamte Leistung zurückbehalten, wenn nur ein verhältnismäßig geringfügiger Teil der Gegenleistung offen steht. Die Klausel Nr. 8.1 Satz 1 nennt hier einen festen Betrag in Höhe von 15,50 €. Nach Meinung der Beklagten soll dieser – absolut gesehen kleine – Betrag deshalb als nicht verhältnismäßig geringfügig anzusehen sein, weil ihr monatlicher Netto-Durchschnittsumsatz aus Mobilfunklaufzeitverträgen mit Privatkunden bei ca. 35 € liege. Dem ist zum einen entgegen zu halten, dass Durchschnittswerte lediglich einen Mittelwert darstellen, der in nicht wenigen Fällen erheblich überschritten wird und der hier geltend gemachte Umsatz bereits bei mehr als dem Doppelten des in der Klausel festgesetzten Betrages liegt.

Zum anderen kommt entscheidend hinzu, dass die Beklagte mit dem Betrag von 15,50 € in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur knapp über 20 % des Betrages als Voraussetzung für die Sperre angesetzt hat, den der Gesetzgeber im Festnetzbereich in § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG in Höhe von 75 € festgeschrieben hat. Zwar ist § 45k Abs. 2 TKG nicht auf Mobilfunkverträge anwendbar (Senatsurteil vom 12. Februar 2009 – III ZR 179/08, NJW 2009, 1334 Rn. 18). Gleichwohl kann die Wertung des Gesetzgebers bei Telefondienstleistungsverträgen im Festnetzbereich bei der Beurteilung der Angemessenheit Allgemeiner Geschäftsbedingungen für den Mobilfunkbereich nicht außer Acht gelassen werden (vgl. Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 307 BGB Rn. 167; jeweils zu § 19 TKV Landgericht München I, CR 2008, 31, 32; Köhler, Der Mobilfunkvertrag aaO; Kropf/Harder, aaO; wohl auch Grosskopf/Taubert, aaO S. 608 f; a.A. Kessel in Arndt/Fetzer/Scherer, TKG, 2008, § 45k Rn. 9; Eckert aaO S. 534 ff Rn. 107). Hierbei ist insbesondere im Blick zu behalten, dass kein sachlicher Grund dafür vorhanden ist, die vom Gesetzgeber für angemessen erachtete Summe bei Mobilfunkverträgen deutlich geringer anzusetzen. Die Interessenlage bei beiden Verträgen weicht nicht in entscheidender Weise voneinander ab. Die Beeinträchtigung der Kundeninteressen durch die Sperrung des Mobilfunkvertrags kann nicht mit der Begründung als wesentlich geringer erachtet werden, bei dem Mobilfunkgerät handele es sich grundsätzlich um ein Zweitgerät und der Kunde werde daher durch die Sperrung nicht gänzlich vom Telefonverkehr ausgeschlossen. Aufgrund der Verbreitung des Mobilfunks kann nicht mehr generell angenommen werden, es bestehe im Regelfall daneben noch ein Festnetzanschluss. Mobilfunkunternehmen richten ihre Werbung auch gerade darauf aus, mit Festnetzdienstleistungen in Konkurrenz zu treten (vgl. Landgericht München I aaO). Im Übrigen bringt für viele Kunden, die häufig unterwegs sind und immer erreichbar sein müssen, die Sperre des Mobilfunkanschlusses keine geringeren Nachteile mit sich als die Sperre ihres Festnetzanschlusses. Darüber hinaus können Mobilfunkdienstleistungen jedenfalls nicht als durchgehend preislich günstiger bezeichnet werden, so dass es auch insoweit nicht gerechtfertigt ist, im Mobilfunkbereich von den vom Gesetzgeber als angemessen angesehenen Werten im Festnetzbereich nach unten abzuweichen.

Ob vorliegend eine unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten auch deshalb anzunehmen ist, weil nach Nr. 8.1 – im Unterschied zu der nach § 45k Abs. 2 Satz 1 TKG für den Festnetzbereich geltenden Rechtslage – eine Sperre auch ohne eine mindestens zwei Wochen zuvor erteilte schriftliche Androhung erfolgen kann, kann dahinstehen.

(3) Dieser Wertung kann die Beklagte auch nicht mit dem Argument begegnen, dass bereits bei einem Verzug von 15,50 € der Schluss gerechtfertigt sei, ihr Anspruch auf die Gegenleistung sei wegen mangelnder Leistungsfähigkeit als gefährdet anzusehen (§ 321 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ein solcher Schluss ist insbesondere dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich um eine Teilleistung handelt, die sich – wie hier – als geringfügig im Sinne des § 320 Abs. 2 BGB darstellt.

Schlick Dörr Wöstmann

Seiters Tombrink

Vorinstanzen:

LG Köln, Entscheidung vom 17.06.2009 – 26 O 149/08

OLG Köln, Entscheidung vom 22.01.2010 – 6 U 133/09