BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet am: 28. September 2011
Sportwetten im Internet II
UWG § 4 Nr. 11; GlüStV § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3
Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV (Internetverbot) steht formell und materiell mit dem Unionsrecht in Einklang.
BGH, Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 92/09 – OLG Frankfurt/Main LG Wiesbaden
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in dem bis zum 5. September 2011 Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juni 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin organisiert und veranstaltet Sportwetten in Hessen, unter anderem die Sportwette ODDSET.
Die Beklagte zu 2 ist ein Wettunternehmen mit Sitz in Gibraltar, der Beklagte zu 3 ist ihr organschaftlicher Vertreter. Der Beklagte zu 1 vermittelt auf der Internetseite „bwin.de“ den Abschluss von Sportwetten zu festen Gewinnquoten an die Beklagte zu 2, die zugleich Inhaberin des vom Beklagten zu 1 genutzten Domainnamens ist.
Dem Beklagten zu 1 wurde im April 1990 vom Gewerbeamt der Stadt Löbau/Sachsen auf der Grundlage des Gewerbegesetzes der DDR die Genehmigung zur Eröffnung eines Wettbüros für Sportwetten in Neugersdorf erteilt. Die Beklagten zu 2 ist Inhaberin einer ihr in Gibraltar verliehenen Konzession zur Veranstaltung von Sportwetten; über eine Erlaubnis deutscher Behörden für die Veranstaltung von Glücksspielen verfügt sie nicht.
Nach Ansicht der Klägerin handeln die Beklagten wettbewerbswidrig im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 284, 287 StGB und § 4 GlüStV, weil sie in Deutschland Glücksspiele ohne Genehmigung anbieten. Auf die Genehmigung durch ausländische Behörden komme es nicht an.
Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, hat die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das Internet im Bundesland Hessen befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten oder zu verschaffen, Sportwetten zu festen Gewinnquoten ohne behördliche Erlaubnis einzugehen oder abzuschließen, sei es durch Abschluss eines Wettvertrags mit dem Beklagten zu 1 oder mit der Beklagten zu 2, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben:
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen des Beklagten zu 1 gemäß Ziffer 1 ab dem 1. Januar 2008 entstanden ist oder zukünftig entstehen wird,
3. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Umsätze sie seit dem 1. Januar 2008 durch Handlungen gemäß Ziffer 1 des Klageantrags erzielt haben.
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass es neben der dem Beklagten zu 1 erteilten Genehmigung und der der Beklagten zu 2 in Gibraltar verliehenen Konzession keiner weiteren Genehmigung einer deutschen Behörde bedürfe. Das staatliche Glücksspielmonopol verstoße im Übrigen gegen die höherrangige unionsrechtliche Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Wiesbaden, ZfWG 2007, 471). Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagten nach den oben wiedergegebenen Klageanträgen zur Unterlassung verurteilt und die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festgestellt; die Verurteilung zur Auskunftserteilung hat das Berufungsgericht entsprechend dem Schadensersatzantrag auf Handlungen des Beklagten zu 1 beschränkt (OLG Frankfurt, ZfWG 2009, 268).
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstreben die Beklagten weiterhin die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat den hilfsweise geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 9, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:
Der Unterlassungsantrag sei hinreichend bestimmt und begründet. Der Beklagte zu 1 vermittle auch nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags am 1. Januar 2008 bundesweit weiterhin über das Internet Glücksspiele an die Beklagte zu 2 in deren Auftrag. Er verstoße damit gegen das Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet in § 4 Abs. 4 GlüStV (nachfolgend: Internetverbot). Von diesem Verbot seien die Beklagten nicht durch die dem Beklagten zu 1 in der DDR vor dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland erteilte Glücksspielkonzession befreit. Sie könnten sich auch nicht auf die der Beklagten zu 2 in Gibraltar erteilte Genehmigung berufen, die jedenfalls nicht dazu berechtige, über das Internet in Hessen Sportwetten zu veranstalten.
Für die Geltung des Glücksspielstaatsvertrags sei es ohne Bedeutung, dass das Hessische Glücksspielgesetz nicht der Kommission der Europäischen Union notifiziert worden sei. Dieses Gesetz sei lediglich ein Ausführungsgesetz zum notifizierten Glücksspielstaatsvertrag und weiche von diesem nicht maßgeblich ab. Der Glücksspielstaatsvertrag sei formell und materiell verfassungsgemäß. Den Ländern habe nicht die Regelungskompetenz für das Glücksspielrecht gefehlt. Das staatliche Wettmonopol greife zwar in das Grundrecht der Berufsfreiheit ein. Dieser Eingriff diene jedoch einem besonders wichtigen Gemeinwohlziel, nämlich der Bekämpfung der Glücksspielsucht und der besonderen Gefahren, die mit einem Glücksspielangebot im Internet verbunden seien, und sei zur Erreichung dieses Ziels geeignet, erforderlich und angemessen.
Der Anwendung des § 4 GlüStV stehe auch der Vorrang des Unionsrechts nicht entgegen. Zwar beschränke die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Beschränkungen der Grundfreiheiten aus Art. 43 und 49 EG (jetzt Art. 49 und 56 AEUV) könnten jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Das Internetverbot gemäß § 4 GlüStV sei geeignet, das legitime Ziel einer Verminderung der Glücksspielgelegenheiten durch Unterbindung einer besonders gefahrenträchtigen Vermarktungsform des Glücksspiels zu erreichen. Für die Rechtfertigung der Beschränkung der Grundfreiheiten sei eine auf alle Erscheinungsformen des Glücksspiels bezogene Gesamtkohärenz nicht erforderlich. Somit komme es auf die für das Automatenspiel oder für Spielbanken geltenden Regelungen nicht an. Unerheblich sei daher auch, dass das Verbot des § 4 GlüStV nicht für den Abschluss und das Vermitteln von Pferdewetten gelte, die auch über das Internet angeboten werden könnten. Die Sonderstellung der Pferdewetten habe historische Gründe. Der Anreizwirkung von Pferdewetten im Internet seien bei lebensnaher Betrachtung im Wesentlichen die Verbraucher ausgesetzt, die über Kenntnisse im Pferderennsport verfügten und sich deshalb die Fähigkeit zuschrieben, aussichtsreich auf den Rennausgang wetten zu können. Dies treffe lediglich auf einen sehr geringen Teil der Verbraucher zu. Demgegenüber gehe es bei den allgemeinen Sportwetten im Wesentlichen um Fußball und andere Breitensportarten. Für die auf das Internetverbot bezogene Kohärenzprüfung komme es auch nicht auf ein etwaiges Vollzugsdefizit bei der Umsetzung der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags insgesamt an. Denn das Internetverbot stelle schon für sich allein eine wirksame Maßnahme zur Bekämpfung übermäßigen Glücksspiels dar. Das für alle Glücksspielanbieter gleichermaßen geltende Verbot werde auch nicht diskriminierend angewandt.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Klägerin kann von den Beklagten nach §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV verlangen, das Angebot und die Vermittlung von Sportwetten über das Internet an Personen im Bundesland Hessen zu unterlassen.
I. Der auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtete Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es anderenfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 23/08, GRUR 2010, 652 Rn. 10 = WRP 2010, 872 – Costa del Sol, mwN). Der Zeitpunkt der Begehung der beanstandeten Handlung ist auch für die Feststellung der Schadensersatzpflicht und die Auskunftserteilung maßgeblich (BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 – Direkt ab Werk).
Im Streitfall kommt es allein auf die seit dem 1. Januar 2008 bestehende Rechtslage an. Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch ausdrücklich auch darauf, dass die Beklagten den beanstandeten Internetauftritt nach dem 1. Januar 2008 fortgesetzt haben. Auskunft und Schadensersatzfeststellung begehrt sie nur noch für die Zeit nach diesem Datum.
Allerdings ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb mit Wirkung vom 28. Dezember 2008 geändert worden. Diese Änderung, die der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken diente, hat für den Streitfall aber keine Bedeutung. Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht hier nicht entgegen, dass diese Richtlinie, die die vollständige Harmonisierung der verbraucherschützenden Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, keinen vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn sie lässt vorbehaltlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht nationale Vorschriften unberührt, die sich auf Glücksspiele beziehen (Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2005/29/EG).
II. Die Klägerin ist als Mitbewerberin der Beklagten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, weil beide Parteien gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen suchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 I ZR 99/08, GRUR 2011, 82 Rn. 19 = WRP 2011, 55 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer).
Entgegen der Auffassung der Revision steht der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses nicht entgegen, dass die Klägerin gehalten ist, ihren Absatz möglichst zu beschränken und keine Anreize zur Teilnahme an den von ihr veranstalteten Wetten zu schaffen. Für das Wettbewerbsverhältnis kommt es nicht darauf an, welche Absicht mit dem Angebot der Sportwetten durch die Klägerin verbunden ist. Jedenfalls nimmt das Land Hessen über die Klägerin in berechtigter Weise am Wirtschaftsleben teil, so dass ihr auch der Schutz des Lauterkeitsrechts zugute kommt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4 Rn. 13.5). Dies gilt auch dann, wenn im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Erzielung von Einnahmen lediglich eine erfreuliche Nebenfolge und nicht eigentlicher Grund der Tätigkeit der Klägerin ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 – C-67/98, Slg. 1999, I-7289 = WRP 1999, 1272 Rn. 30 f. – Zenatti; Urteil vom 6. November 2003 C-243/01, Slg. 2003, I-13031 = EuZW 2004, 115 Rn. 62 – Gambelli u.a.).
III. Das angegriffene Sportwettenangebot der Beklagten im Internet ist gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 GlüStV unzulässig.
1. Am 1. Januar 2008 ist der Glücksspielstaatsvertrag gemäß §§ 1 und 2 Hessisches Glücksspielgesetz (nachfolgend: HessGlüSpG) im Bundesland Hessen in Kraft getreten. Nach § 4 Abs. 4 GlüStV ist das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen im Internet verboten.
Dieses Verbot, das unmittelbar die Vertriebswege für Glücksspiele beschränkt, ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Entgegen der Ansicht der Revision richtet es sich nicht nur an die in § 10 GlüStV genannten Anbieter, mit denen die Länder ihre Aufgabe erfüllen, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen, sondern an jeden Anbieter und Vermittler öffentlicher Glücksspiele im Sinne von § 2 GlüStV und damit auch an die Beklagten. Der Wortlaut des § 4 Nr. 4 GlüStV gibt für eine Beschränkung der Normadressaten keinen Anhaltspunkt. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift stehen einer Auslegung entgegen, nach der das Verbot zwar für konzessionierte Anbieter, nicht aber für ohne Erlaubnis tätige Veranstalter und Vermittler gelten soll (ebenso BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 8 C 5.10, juris Rn. 11). Niemand kann sich der Gültigkeit eines Verbots mit der Begründung entziehen, er sei schon aus anderen Gründen nicht berechtigt, die verbotene Tätigkeit auszuüben.
2. Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Glücksspielstaatsvertrag die von Behörden der DDR erteilten Glücksspielkonzessionen unberührt lässt. Der Beklagte zu 1 kann sich jedenfalls nicht auf die ihm vom Gewerbeamt der Stadt Löbau ab 1. Mai 1990 erteilte Genehmigung zur Eröffnung eines Wettbüros berufen, um entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV in Hessen über das Internet Sportwetten zu vermitteln oder zu veranstalten.
a) Die dem Beklagten zu 1 für die Zeit ab 1. Mai 1990 erteilte Genehmigung war ursprünglich auf das Hoheitsgebiet der DDR beschränkt.
b) Art. 19 EinigungsV hat nicht zu einer Erstreckung der Erlaubnis auf das gesamte Bundesgebiet geführt. Nach dieser Vorschrift bleiben vor der Wiedervereinigung ergangene Verwaltungsakte der DDR zwar wirksam. Art. 19 EinigungsV hat aber grundsätzlich keine inhaltliche Änderung von Verwaltungsakten bewirkt (BVerwGE 126, 149 Rn. 50 ff.; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 8 C 5.10, juris Rn. 46).
Für die Frage, ob sich ein Verwaltungsakt der DDR nach der Wiedervereinigung auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik erstreckt, kommt es auf die hypothetische Prüfung an, ob ein inhaltlich entsprechender Verwaltungsakt der Behörde eines alten Bundeslandes bundesweite Geltung hat. Ist das der Fall, so ist dasselbe für den nach Art. 19 EinigungsV fortgeltenden Verwaltungsakt anzunehmen. Andernfalls ist eine bundesweite Geltung zu verneinen. Denn die Rechtsordnung der (erweiterten) Bundesrepublik, die für die mit dem Einigungsvertrag angestrebte Rechtseinheit maßgeblich ist, ist durch ihre föderale Struktur mitgeprägt, in der nicht selten Regelungsunterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern bestehen (vgl. BVerwGE 126, 149 Rn. 56).
In Anwendung dieser Grundsätze kommt eine Erstreckung der dem Beklagten zu 1 von der Stadt Löbau erteilten Erlaubnis auf das Gebiet des Bundeslands Hessen nicht in Betracht (vgl. BVerwGE 126, 149 Rn. 56; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10, juris Rn. 47 f.; ebenso OVG Bautzen, GewArch 2008, 118, 120 f.; OVG Hamburg, ZfWG 2008, 136, 137; VGH Kassel, ZfWG 2008, 272, 274; OVG Lüneburg, NVwZ 2009, 1241, 1242; aA Rixen, NVwZ 2004, 1410, 1412 ff.). Auch in den alten Bundesländern hätten Erlaubnisse für die gewerbliche Veranstaltung von Sportwetten (mit Ausnahme von Pferdewetten) nur nach dem jeweiligen Landesrecht erteilt werden können, so dass ihre Wirkung auf das Gebiet des betreffenden Landes beschränkt gewesen wäre. Eine außerhalb Hessens erteilte Glücksspielerlaubnis berechtigt also nicht dazu, in Hessen Glücksspiele zu veranstalten oder zu vermitteln.
Mit der fehlenden Erstreckung auf das Land Hessen teilt die Gewerbeerlaubnis des Beklagten zu 1 das Schicksal aller vergleichbaren Gestattungen, so dass keine dem Gedanken des Vertrauensschutzes widerstreitende Benachteiligung des Erlaubnisnehmers erkennbar ist (vgl. BVerwGE 126, 149 Rn. 56).
c) Die fehlende Erstreckung seiner von der Stadt Löbau erteilten Genehmigung auf das Bundesland Hessen greift auch in keine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition des Beklagten zu 1 ein. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass es für ihn enteignungsgleiche Wirkung hat, wenn er in Hessen die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV zu beachten hat.
d) Es besteht kein Anlass, das Verfahren im Hinblick auf die Feststellungsklagen auszusetzen, die nach dem Vortrag der Beklagten vor verschiedenen Verwaltungsgerichten zur Klärung der Frage anhängig gemacht worden sind, ob der Beklagte zu 1 aufgrund der ihm erteilten DDR-Genehmigung berechtigt ist, Kunden in den alten Bundesländern Sportwetten über das Internet zu vermitteln. Bisher ist in keinem dieser Verfahren eine den Beklagten günstige Sachentscheidung ergangen. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juni 2011 (8 C 5.10, juris) und der auch aus Sicht des Senats eindeutigen Rechtslage ist eine solche Entscheidung nicht zu erwarten.
3. Der Glücksspielstaatsvertrag und insbesondere das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüSpV sind formell und materiell mit dem Verfassungsrecht vereinbar.
a) Entgegen der Ansicht der Revision haben die Länder mit dem Glücksspielstaatsvertrag ihre Kompetenzen nicht überschritten. Von einer möglichen Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG hat der Bund ungeachtet der Regelungen in §§ 33c ff. GewO jedenfalls nicht in der Weise Gebrauch gemacht, dass die Länder an den im Glücksspielstaatsvertrag getroffenen Regelungen gemäß Art. 72 Abs. 1 GG gehindert wären (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 1 BvR 928/08, NVwZ 2008, 1338 Rn. 25).
b) Der Glücksspielstaatsvertrag ist auch materiell verfassungsgemäß. Die durch ihn bewirkten Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) sind durch überragend wichtige Gemeinwohlziele gerechtfertigt, nämlich den Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren der Glücksspielsucht und vor der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität (vgl. BVerfG, NVwZ 2008, 1338 Rn. 27 ff.). Dabei ist davon auszugehen, dass die Besonderheiten des Glücksspiels im Internet, namentlich dessen Bequemlichkeit und im Vergleich zur Abgabe eines Lottoscheins in einer Annahmestelle dessen Abstraktheit, problematisches Spielerverhalten in entscheidender Weise begünstigen. Das Internetverbot ist deshalb geeignet, erforderlich und angemessen, ein Gemeinwohlziel hohen Ranges zu fördern (vgl. BVerfG, NVwZ 2008, 1338 Rn. 40, 48, 59).
4. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV steht mit dem Unionsrecht in Einklang.
a) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags könnten nicht angewandt werden, weil die Länder ihrer europarechtlichen Notifizierungspflicht nicht nachgekommen seien.
aa) Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (nachfolgend: Informationsrichtlinie) haben die Mitgliedstaaten jeden Entwurf einer technischen Vorschrift unverzüglich der Europäischen Kommission zu übermitteln. Zweck der Notifizierung ist es, durch eine vorbeugende Kontrolle der Kommission den freien Warenverkehr im Binnenmarkt zu schützen (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 1996 C-194/94, Slg. 1996, I-2201 = EuZW 1996, 379 Rn. 40 f., 51 CIA Security International/Signalson; Erwägungsgründe 4 und 7 der Informationsrichtlinie). Ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht führt zur Unanwendbarkeit der betreffenden technischen Vorschriften, so dass sie Einzelnen nicht entgegengehalten werden können (EuGH aaO Rn. 54).
bb) Der Glücksspielstaatsvertrag ist der Kommission am 21. Dezember 2006 notifiziert worden (vgl. Verwaltungsschreiben der Kommission vom 14. Mai 2007, abgedruckt als Anlage 1 c zum Entwurf des Gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland, Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks. 14/4849). Gemäß Art. 9 Abs. 2 der Informationsrichtlinie durfte Deutschland das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV dann jedenfalls ab 21. Juni 2007 in Kraft setzen, also im Land Hessen auch durch ein ab 1. Januar 2008 geltendes Ausführungsgesetz. Soweit § 1 HessGlüSpG die Zustimmung des Bundeslands Hessen zum Glücksspielstaatsvertrag enthält, folgt daraus kein über diesen Vertrag hinausgehender notifizierungspflichtiger Inhalt des Ausführungsgesetzes.
cc) Zwar können Verschärfungen des Entwurfs einer technischen Vorschrift nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 3 der Informationsrichtlinie eine erneute Notifizierungspflicht auslösen. Das Hessische Glücksspielgesetz enthält aber keine Verschärfung des ohnehin bereits umfassenden und von den Marktteilnehmern zu beachtenden Internetverbots gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV. Insbesondere ist weder den Erlaubnisvoraussetzungen des § 9 noch dem Ordnungswidrigkeitenkatalog des § 17 HessGlüSpG eine solche Verschärfung zu entnehmen.
Es kann dahinstehen, ob für die Ausführungsgesetze der Länder zum Glücksspielstaatsvertrag unter anderen Gesichtspunkten eine gesonderte Notifizierungspflicht bestand.
b) Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV ist auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar.
aa) Allerdings stellt diese Regelung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gemäß Art. 56 AEUV dar. Das Internetverbot erschwert Wettunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten eine Tätigkeit in Deutschland. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Glücksspielsektor nur unionrechtskonform, wenn sie das Diskriminierungsverbot beachtet und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Die Maßnahme muss geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, indem sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beiträgt; sie darf ferner nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (EuGH, EuZW 2004, 115 Rn. 65 Gambelli u.a.; EuGH, Urteil vom 6. März 2007 – C-338/04 u.a., Slg. 2007, I-1891 = EuZW 2007, 209 Rn. 49 – Placanica; Urteil vom 8. September 2009 – C-42/07, Slg. 2009, I-7633 = EuZW 2009, 689 Rn. 60 – Liga Portuguesa de Futebol Profissional).
bb) Eine formale Diskriminierung liegt nicht vor. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV gilt gleichermaßen für In- und Ausländer. Zwar beeinträchtigt das Internetverbot faktisch Glücksspielanbieter außerhalb Deutschlands stärker als solche, die im Inland ansässig sind, weil ihnen ein für den unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt besonders wirksames Vermarktungsmittel genommen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Juni 2011 – C-212/08, EuZW 2011, 674 Rn. 74 – Zeturf Ltd.). Dieser Umstand allein steht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einer unionsrechtlichen Rechtfertigung des Internetverbots aber nicht entgegen. Vielmehr kommt es auch dann darauf an, ob diese Beschränkung zwingenden Belangen des Allgemeinwohls dient, kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beiträgt und nicht über das erforderliche Maß hinausgeht (vgl. EuGH, EuZW 2009, 689 Rn. 52 ff. – Liga Portuguesa de Futebol Profissional; EuZW 2011, 674 Rn. 76 ff. – Zeturf Ltd.).
cc) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die durch den Glücksspielstaatsvertrag und die hessischen Ausführungsbestimmungen bewirkten Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Sportwetten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses im Sinne des Unionsrechts dienen (ebenso BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10, juris Rn. 34). Ziele des Glücksspielstaatsvertrags sind die Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV), die Begrenzung des Glücksspielangebots und die Lenkung der Wettleidenschaft (§ 1 Nr. 2 GlüStV), der Jugend- und Spielerschutz (§ 1 Nr. 3 GlüStV) sowie die Betrugsvorbeugung (§ 1 Nr. 4 GlüStV). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Abwehr von Störungen der sozialen Ordnung und das Anliegen, die Bürger vor Anreizen zu überhöhten Spieleinsätzen zu bewahren, zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind, die Beschränkungen der Spieltätigkeiten rechtfertigen können (vgl. EuGH, Urteil vom 24. März 1994 – C-275/92, Slg. 1994, I-1039 = EuZW 1994, 311 Rn. 57 f. – Schindler; EuGH, WRP 1999, 1272 Rn. 30 f. – Zenatti; EuZW 2004, 115 Rn. 67 – Gambelli; EuZW 2009, 689 Rn. 46 – Placanica; EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-46/08, NVwZ 2010, 1422 Rn. 55 ff. = MMR 2010, 840 – Carmen Media Group). Die Ziele der Suchtbekämpfung sowie des Jugend- und Spielerschutzes (§ 1 Nr. 1 und Nr. 3 GlüStV) dienen dem Schutz der Sozialordnung. Die Begrenzung des Glücksspielangebots und die Lenkung der Wettleidenschaft (§ 1 Nr. 2 GlüStV) zielen darauf ab, die Bürger vor Anreizen zu überhöhten Spieleinsätzen zu bewahren.
dd) Entgegen der Ansicht der Revision ist das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV geeignet, die mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Gemeinwohlziele zu fördern.
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass eine Maßnahme, mit der jedes Anbieten von Glücksspielen über das Internet verboten wird, grundsätzlich geeignet ist, die legitimen Ziele der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Spielausgaben und der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes zu verfolgen, auch wenn das Angebot solcher Spiele über herkömmliche Kanäle zulässig bleibt (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 105 Carmen Media Group). Denn über das Internet angebotene Spiele weisen wegen des Fehlens eines unmittelbaren Kontakts zwischen Verbraucher und Anbieter und einer sozialen Kontrolle sowie wegen der Anonymität und Isolation der Spieler ein besonderes Gefährdungspotential für jugendliche und spielsuchtgefährdete oder spielsüchtige Verbraucher auf, das mit erhöhten Betrugsrisiken einhergeht. Dabei fällt insbesondere auch die für das Internet typische besonders leichte und ständige Zugänglichkeit zu einem sehr großen internationalen Spielangebot ins Gewicht (vgl. EuGH, EuZW 2009, 689 Rn. 70 – Liga Portuguesa de Futebol Profissional; NVwZ 2010, 1422 Rn. 102 f. – Carmen Media Group; siehe auch BVerfGE 115, 276 Rn. 139; BVerfG, NVwZ 2008, 1338 Rn. 40; BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10, juris Rn. 34).
Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV soll speziell diesen besonderen Gefahren des Angebots von Glücksspielen im Internet begegnen. Für die Beurteilung der unionsrechtlichen Zulässigkeit des Internetverbots kommt es deshalb nicht auf die Verfügbarkeit von Glücksspielen in anderen Vertriebskanälen an, die nicht die besonderen Gefahren des Internetvertriebs aufweisen (vgl. EuGH, EuZW 2011, 674 Rn. 78 ff. – Zeturf Ltd.).
(2) Das Internetverbot ist nicht deshalb zur Verfolgung legitimer Gemeinwohlinteressen ungeeignet, weil bislang konkrete und belastbare Nachweise dafür fehlen, dass solche Interessen durch das Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten im Internet gefährdet werden können. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat klargestellt, dass ein Mitgliedstaat die Eignung einer beschränkenden Maßnahme im Glücksspielsektor für die Verfolgung anerkannter Gemeinwohlziele auch dann belegen kann, wenn er dazu keine konkreten Untersuchungen vorzulegen vermag. Es reicht aus, wenn der Mitgliedstaat alle Umstände darlegt, anhand deren sich ein zur Entscheidung berufenes Gericht darüber vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genügt (EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-316/07 u.a., WRP 2010, 1338 Rn. 70 ff. – Markus Stoß u.a.). Diese Anforderung ist im Streitfall erfüllt.
(3) Das Internetverbot ist auch eine kohärente und systematische Beschränkung der Gelegenheiten zum Glücksspiel (ebenso BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10, juris Rn. 35 ff.). Die Prüfung dieser unionsrechtlichen Anforderung obliegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union den Gerichten der Mitgliedstaaten (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 65 – Carmen Media Group).
(a) Die unionsrechtliche Prüfung hat grundsätzlich für jede nationale Beschränkung im Bereich der Glücksspiele gesondert zu erfolgen (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 60 – Carmen Media Group). Prüfungsgegenstand ist im Streitfall somit allein das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV und nicht der Glücksspielstaatsvertrag in seiner Gesamtheit oder das deutsche Glücksspielmonopol.
(aa) Entgegen der Ansicht der Revision ist das Internetverbot nicht in dem Sinne „monopolakzessorisch“, dass es bei einer eventuellen Unionsrechtswidrigkeit des deutschen Glücksspielmonopols keine Wirkung mehr entfalten könnte (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10, juris Rn. 12). Es handelt sich vielmehr um eine eigenständige Regelung, die schon für sich allein zur Förderung der mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Ziele geeignet ist. Selbst wenn das deutsche Glücksspielmonopol oder andere Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags mit dem Unionsrecht unvereinbar wären, führte dessen Anwendungsvorrang nur dazu, dass das deutsche Recht insoweit nicht anzuwenden wäre. Hingegen blieben diejenigen Bestandteile des Glücksspielstaatsvertrags weiterhin anwendbar, die noch eine aus sich heraus sinnvolle und handhabbare Regelung darstellen, die der erkennbaren Absicht des Normgebers entspräche (vgl. BVerwGE 105, 336, 345 f.). Zur Sicherstellung der Ziele des § 1 GlüStV ist es nach der Regelungsabsicht des Normgebers geboten, den Vertriebsweg Internet für Glücksspiele grundsätzlich zu versagen. Dieser Zweck entfiele auch dann nicht, wenn die Vorschriften über das staatliche Monopol im Glücksspielstaatsvertrag wegfielen (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 8 C 5.10, juris Rn. 12 aE).
(bb) Zudem ist davon auszugehen, dass die verschiedenen Arten von Glücksspielen erhebliche Unterschiede aufweisen können, etwa hinsichtlich der sie kennzeichnenden Einsätze und Gewinne, der Zahl potentieller Spieler, der Präsentation, der Häufigkeit, der Dauer oder danach, ob sie die körperliche Anwesenheit des Spielers erfordern oder nicht. Daher führt allein der Umstand, dass für verschiedene Arten von Glücksspielen unterschiedliche nationale Regelungen gelten, nicht schon dazu, dass diese Maßnahmen ihre unionsrechtliche Rechtfertigung verlieren (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 62 f. – Carmen Media Group; WRP 2010, 1338 Rn. 95 f. – Markus Stoß u.a.).
(b) Allerdings können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 71 – Carmen Media Group) berechtigte Zweifel an der Eignung eines nationalen Monopols für Sportwetten und Lotterien zur kohärenten und systematischen Beschränkung des Glücksspiels bestehen, wenn
– andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern betrieben werden dürfen und
– der Mitgliedstaat in Bezug auf diese anderen Arten von Glücksspielen, die zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreibt, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren.
Außerdem sind auch Ausnahmen und Einschränkungen zu einer die Glücksspieltätigkeit beschränkenden Regelung dahingehend einer Kohärenzprüfung zu unterziehen, ob sie deren Eignung zur Verfolgung legitimer Allgemeininteressen beseitigen (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 106 ff. – Carmen Media Group).
(c) Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist zu beachten, dass es hier allein auf die unionsrechtliche Wirksamkeit des Internetverbots des § 4 Abs. 4 GlüStV ankommt. Daher sind die Regelungen zum Automatenspiel und zum herkömmlichen Spielbankenbetrieb in Deutschland im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Diese Glücksspielformen setzen anders als das Spiel im Internet die persönliche Anwesenheit der Spieler voraus. Weil das bereits aus dem Wesen dieser Glücksspiele folgt, können sie von vornherein nicht durch ein Internetverbot geregelt werden (in diesem Sinne etwa Ohler, EuR 2010, 253, 259). Eine inkohärente oder unsystematische Regelung liegt in diesem tatsächlichen Unterschied zu Sportwetten aber nicht. Selbst wenn Deutschland beim Automatenspiel und im Bereich der Spielbanken eine expansive Politik betreiben sollte, ließe dies die Eignung von § 4 Abs. 4 GlüStV als wirksame Maßnahme zum Jugend- und Spielerschutz sowie zur Begrenzung der Glücksspieltätigkeit unberührt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist ein allgemeines Internetverbot grundsätzlich auch dann geeignet, die mit ihm verfolgten legitimen Allgemeininteressen zu erreichen, wenn das Anbieten von Spielen über herkömmliche Kanäle zulässig bleibt (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 105 – Carmen Media Group).
Abweichendes ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision auch nicht aus der Entscheidung des Gerichtshofs in der Sache „Zeturf“ (EuGH, EuZW 2011, 674 Rn. 73 ff.). Der Gerichtshof hat dort im Zusammenhang mit einem generellen Monopol für Pferdewetten in Frankreich zwar ausgeführt, dass eine Beschränkung der Tätigkeit der Wettannahme grundsätzlich unabhängig davon geprüft werden sollte, auf welchem Wege die Wetten abgeschlossen werden (aaO Rn. 77). Hat der nationale Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen online angebotenen Wetten und solchen, die über traditionelle Vertriebskanäle angeboten werden, nicht für erforderlich gehalten, und eine allgemeine Ausschließlichkeitsregelung für Pferdewetten vorgesehen, so kommt es für die unionsrechtliche Zulässigkeit auf den gesamten Sektor der Pferdewetten an (aaO Rn. 82 f.). Im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung betont der Gerichtshof aber auch, dass der Absatz von Glücksspielen über das Internet gegenüber den klassischen Vertriebswegen andere und größere Gefahren in sich bergen kann (aaO Rn. 78 ff.). Wie sich aus Randnummer 82 des Urteils „Zeturf“ ergibt, hält der Gerichtshof dabei daran fest, dass es dem einzelnen Mitgliedstaat obliegt zu beurteilen, ob spezifische Gefahren des Glücksspielvertriebs im Internet besondere Beschränkungen dieses Vertriebswegs erfordern. Entgegen der Ansicht der Revision verlangt der Gerichtshof nicht, dass für diese Beurteilung abweichend vom Urteil „Markus Stoß“ (vgl. oben Rn. 46) nunmehr ein empirischer Nachweis für die Gefährlichkeit des Internetvertriebs erbracht werden muss. Einer Vorlage an den Gerichtshof bedarf es in diesem Zusammenhang nicht. Unerheblich ist im Übrigen auch, ob die Länder im Zusammenhang mit der Änderung des Glücksspielstaatsvertrags eine Lockerung des Internetverbots erwägen. Im Streitfall steht allein das geltende Recht auf dem Prüfstand. Rechtspolititsche Erwägungen, die de lege ferenda angestellt werden, vermögen die Beurteilung des geltenden Rechts nicht zu verändern.
Da Deutschland – anders als Frankreich in dem der Entscheidung „Zeturf“ zugrundeliegenden Fall – in § 4 Abs. 4 GlüStV eine besondere Regelung für den Glücksspielvertrieb im Internet getroffen hat, die aufgrund der spezifischen Gefahren dieses Vertriebswegs gerechtfertigt ist, kommt es für die unionsrechtliche Kohärenzprüfung allein auf diesen Vertriebskanal an.
Im Übrigen ist es nach § 4 Abs. 4 GlüStV generell verboten, im Internet Automatenspiele anzubieten; denn die Erlaubnis nach § 33c Abs. 1 GewO gilt nur für den stationären Betrieb von Geldspielautomaten (OVG Münster, Beschluss vom 27. Oktober 2008 – 4 B 1774/07, juris; LG Köln, ZfWG 2010, 149, 150 f.). Spielbanken müssen das Internetverbot gemäß § 2 Satz 2 GlüStV beachten.
(d) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler auch hinsichtlich des Bereichs der Pferdewetten einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot verneint.
(aa) Pferdewetten dürfen nicht über das Internet angeboten oder vermittelt werden. Der Senat schließt sich dazu den überzeugenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 1. Juni 2011 an (8 C 5.10, juris Rn. 37 ff.). Die Veranstaltung oder Vermittlung von Pferdewetten ist verboten, sofern sie nicht auf der Grundlage des Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 (RGBl. I, S. 393) erlaubt wird. Die nach § 2 Abs. 2 RennwLottG erteilte Erlaubnis ist auf die Örtlichkeit beschränkt, in der die Wetten entgegengenommen oder vermittelt werden. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut, insbesondere aber auch aus dem Zweck dieser Bestimmung: Sie dient dazu, den Missstand des sog. Winkelbuchmachertums zu bekämpfen, der dazu geführt hatte, dass Kunden überall und jederzeit aufgesucht und zum Wetten verleitet werden konnten. Wie das Bundesverwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat (aaO Rn. 39), liegt dem Typus der erlaubten Pferdewette die Vorstellung eines Wettabschlusses unter Anwesenden zugrunde. Mit diesem Gesetzeszweck ist die – zulässige – telefonische oder telegrafische Wettannahme noch vereinbar, bei der die Initiative zum Wetten vom Wettwilligen ausgehen muss, der zudem weiß, mit welchem Buchmacher er es zu tun hat. Das Wettangebot ist bei Nutzung dieser Formen der Telekommunikation weder ubiquitär noch anonym (BVerwG aaO). Dies ist beim Vertrieb von Wetten im Internet anders. Das Internet ermöglicht den Abschluss von Wetten von jedem Ort und zu jeder Zeit ohne jeden persönlichen Kontakt (vgl. zu allem Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10, juris Rn. 38 ff.). Dass das Rennwett- und Lotteriegesetz in § 1 für die Totalisatorwette nicht ausdrücklich eine entsprechende Bindung an ein stationäres Wettbüro verlangt, vermag hieran nichts zu ändern; denn zum Betrieb eines Totalisators dürfen nur Renn- und Pferdezuchtvereine zugelassen werden (§ 2 Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz).
(bb) Allerdings schreiten die Bundesländer bislang nicht gegen die Annahme und Vermittlung von Pferdewetten im Internet ein. Damit besteht in diesem Bereich ein strukturelles Vollzugsdefizit (BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 8 C 5.10, juris Rn. 41). Das führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit des Internetverbots im gesamten sonstigen Glücksspielbereich.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezieht sich die Kohärenzprüfung auf die Eignung einer Beschränkung zur Zielerreichung. Diese Eignung wird nicht schon durch jede abweichende Regelung in einem quantitativ noch so unbedeutenden Bereich in Frage gestellt. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union unter dem Aspekt der Kohärenz des Internetverbots keine Bedenken daraus abgeleitet, dass § 25 Abs. 6 GlüStV eine begrenzte und zeitlich beschränkte Ausnahme von diesem Verbot vorsah (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 106 ff. – Carmen Media Group).
Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV verliert danach nicht deswegen ihre Eignung zum Jugend- und Spielerschutz, zur Betrugsbekämpfung und zur Eindämmung des Glücksspiels, weil Pferdewetten noch im Internet abgeschlossen werden können. Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, dass Pferdewetten nur einen kleinen Prozentsatz des Glücksspielmarkts ausmachen (so auch OVG Münster, ZfWG 2011, 47, 52; VGH Mannheim, ZfWG 2010, 24, 39) und die von ihnen ausgehenden Suchtgefahren nur einen sehr geringen Teil der Bevölkerung treffen, weil nur verhältnismäßig wenige Verbraucher im Bereich der Pferderennen tatsächlich über solche Kenntnisse verfügen, um sich zuzutrauen, erfolgreich auf den Rennausgang wetten zu können. Im Gegensatz dazu empfänden beim Fußball und anderen Breitensportarten weite Personenkreise eine subjektiv empfundene „Wettkompetenz“, die sie zum Spielen verleiten würde. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Pferderennen deutlich unter derjenigen der sonstigen Sportereignisse liegt, die gerade beim Internetvertrieb dem Spielinteressierten ständig neue Wettmöglichkeiten eröffnen (vgl. zur marginalen Bedeutung der Pferdewetten für den Glücksspielmarkt insgesamt auch BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 8 C 5.10, juris Rn. 42).
(cc) Dementsprechend hat auch der Gerichtshof der Europäischen Union zwar gemäß dem ihm von den vorlegenden deutschen Gerichten unterbreiteten Sachverhalt die Zulässigkeit von Pferdewetten privater Veranstalter angenommen, eine mögliche Inkohärenz des deutschen Sportwettenmonopols aber allein mit der in den Vorlagebeschlüssen festgestellten Politik der Angebotsausweitung im Bereich Spielbanken und Automatenspiele begründet (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 67 f. – Carmen Media Group; WRP 2010, 1338 Rn. 100, 106 Markus Stoß u.a.).
(dd) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die an Pferdewetten interessierten Verbraucher im Hinblick auf die damit verbundenen Suchtgefahren nicht weniger schutzwürdig sind als diejenigen Verbraucher, die als Teilnehmer sonstiger Sportwetten in Betracht kommen. Der Gesetzgeber mag nach deutschem Recht auch unter diesem Aspekt gehalten sein, das gegenwärtige Vollzugsdefizit alsbald zu beseitigen. Zur unionsrechtlichen Unzulässigkeit des § 4 Abs. 4 GlüStV kann dieser Umstand aber nicht führen, weil die Gefahren für die Sozialordnung, die sich aus der derzeitigen Duldung des Abschlusses von Internetwetten für Pferderennen ergeben, wegen des beschränkten Teilnehmerkreises deutlich geringer sind als diejenigen der anderen von § 4 Abs. 4 GlüStV erfassten Glücksspiele.
(e) § 4 Abs. 4 GlüStV ist auch nicht im Hinblick auf § 8a Rundfunkstaatsvertrag (RStV) unionsrechtlich inkohärent.
Die Vorschrift des § 8a RStV lässt Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele im Rundfunk unter bestimmten Voraussetzungen zu. Nach § 58 Abs. 4 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 13 RStV gilt § 8a RStV entsprechend für Gewinnspiele in mit Rundfunk vergleichbaren Telemedien, die sich an die Allgemeinheit richten. Dazu zählen auch Internetportale, die redaktionelle Informations- und Unterhaltungsangebote für die Allgemeinheit bereitstellen (vgl. Bolay, MMR 2009, 669, 673).
(aa) Gewinnspiele im Sinne des § 8a RStV können grundsätzlich auch zufallsabhängige Spiele sein. Das ergibt sich zwar nicht schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift. So ist nach § 8a Abs. 1 Satz 4 RStV im Programm über die Auflösung der gestellten Aufgabe zu informieren. Das spricht dafür, dass Gewinnspiele nur solche Spiele sind, bei denen die Spieler eine gestellte Aufgabe lösen müssen, was grundsätzlich nicht zufallsabhängig ist. Zweck des § 8a RStV ist aber klarzustellen, dass die erst in neuerer Zeit aufgekommenen „interaktiven“ Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele, an denen sich das Publikum mittels individueller Kommunikationsmittel (insbesondere Telefon) kostenpflichtig beteiligen kann, ein in Fernsehen und Hörfunk zulässiger Programminhalt sind und damit für private Rundfunkveranstalter eine erlaubte Einnahmequelle bilden. Zu den nach § 8a RStV zulässigen Gewinnspielen zählen danach grundsätzlich auch privat veranstaltete, zufallsabhängige Call-in-Gewinnspiele gegen Entgelt (vgl. VGH München, AfP 2010, 204, 205; Begründung zum 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Bayerischer Landtag, LT-Drucks. 15/9667, S. 15; Bolay, MMR 2009, 669, 671). Das ergibt sich auch aus der Satzung der Landesmedienanstalten über Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele (Gewinnspielsatzung), die zur Konkretisierung des § 8a RStV erlassen worden ist. Nach § 2 Gewinnspielsatzung liegt ein Gewinnspiel vor, wenn den Nutzern des Programmangebots im Fall der Teilnahme die Möglichkeit auf den Erhalt eines Vermögenswertes geboten wird. Das schließt zufallsabhängige Spiele ein.
(bb) Ein Glücksspiel liegt aber nur vor, wenn für den Erwerb einer – zumindest überwiegend zufallsabhängigen – Gewinnchance ein Entgelt gezahlt wird (vgl. § 3 Abs. 1 GlüStV). Daran fehlt es bei den Gewinnspielen im Sinne des § 8a RStV.
Wie sich aus der Verweisung des § 8a Abs. 1 auf § 13 Abs. 1 Satz 3 RStV ergibt, dürfen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten aus Gewinnspielen keine Einnahmen erzielen. Im Übrigen ist das Teilnahmeentgelt auf höchstens 0,50 € begrenzt. Nach § 8 Gewinnspielsatzung ist es unzulässig, zu wiederholter Teilnahme aufzufordern oder dafür Anreize zu setzen.
Teilnahmeentgelte von höchstens 0,50 € sind glücksspielrechtlich unerheblich (OLG München, MMR 2006, 225; Heine in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 284 Rn. 6; MünchKommStGB/Groeschke/Hohmann, § 284 Rn. 8; Bolay, MMR 2009, 669, 670). Sie entsprechen den üblichen Portokosten, wie sie auch für die Teilnahme an herkömmlichen Gewinnspielen im Einzelhandel aufgewendet werden müssen, bei denen die Gewinner aus den Einsendern der richtigen Antwort durch Los und damit zufallsabhängig bestimmt werden. Derartige wettbewerbsrechtlich zulässige Gewinnspiele unterliegen eindeutig nicht den Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags. Zudem werden Gewinnspiele und Gewinnspielsendungen im Rundfunk maßgeblich durch ihren Show- und Unterhaltungscharakter geprägt, so dass sie in dem durch § 8a RStV festgelegten Entgeltrahmen als Unterhaltungsspiele anzusehen sind.
(cc) Durch die Zulassung von Gewinnspielen im Sinne des § 8a RStV auch in Internetportalen mit redaktionellem Inhalt werden die Zielsetzungen des Glücksspielstaatsvertrags nicht beeinträchtigt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die fraglichen Spiele ein höheres Suchtpotential als die vom Glücksspielstaatsvertrag erfassten Spiele haben (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 71 – Carmen Media Group). Sie können infolgedessen auch nicht zur Unionsrechtswidrigkeit des Internetverbots in § 4 Abs. 4 GlüStV führen.
(f) Die Revision hat auch keine Vollzugsdefizite des Glücksspielstaatsvertrags in Hessen dargelegt, aus denen sich eine Inkohärenz des Internetverbots jedenfalls für dieses Bundesland ergäben.
Eine zum Schriftsatz vom 3. Mai 2007 in erster Instanz vorgelegte Anlage ist von vornherein ungeeignet, den nach dem 1. Januar 2008 fortgesetzten Betrieb einer Online-Spielbank in Hessen zu belegen. Ebenso wenig ist dargelegt, dass unter der Internetadresse www.lotto-hessen.de eine Internetspielteilnahme weiterhin möglich ist. Die Beklagte hat auch nicht geltend gemacht, die Spielbank Wiesbaden biete noch nach dem 1. Januar 2008 ein „Internet-Roulette“ an. Sie hat vielmehr in ihrer Berufungserwiderung vorgetragen, das entsprechende Angebot sei zum 31. Dezember 2007 und damit vor Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags eingestellt worden.
(g) Eine unionsrechtliche Inkohärenz des § 4 Abs. 4 GlüStV folgt entgegen der Ansicht der Revision schließlich auch nicht aus der grundsätzlichen Weitergeltung der in der früheren DDR erteilten Genehmigungen für die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen. Unter diesem Aspekt könnte eine Inkohärenz allenfalls dann angenommen werden, wenn diese Genehmigungen auch unter Geltung des Glücksspielstaatsvertrags zum Internetvertrieb von Glücksspielen berechtigten. Das ist indes nicht der Fall (s. oben Rn. 22 ff.).
ee) Das Internetverbot begegnet auch unter dem Aspekt der Erforderlichkeit keinen unionsrechtlichen Bedenken.
Das Unionsrecht verlangt, dass Beschränkungen im Glücksspielsektor nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der mit ihnen verfolgten legitimen Ziele erforderlich ist (vgl. EuGH, EuZW 2007 Rn. 49 – Placanica; NVwZ 2010, 1422 Rn. 60 – Carmen Media Group). Dabei ist es jedoch Sache jedes Mitgliedstaats zu beurteilen, ob es erforderlich ist, bestimmte Glücksspieltätigkeiten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollen vorzusehen. In diesem Zusammenhang kommt es für die Erforderlichkeit der erlassenen Maßnahmen allein auf die von den betreffenden nationalen Stellen verfolgten Ziele und das von ihnen angestrebte Schutzniveau an (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 58 – Carmen Media Group). Dagegen wird nicht verlangt, dass eine von einem Mitgliedstaat erlassene beschränkende Maßnahme einer von allen Mitgliedstaaten geteilten Auffassung in Bezug auf die Modalitäten des Schutzes des fraglichen berechtigten Interesses entspricht (vgl. EuGH, Urteil vom 28. April 2009 – C-518/06, Slg. 2009, I-3491 Rn. 83 ff. – Kommission/Italien). Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union gerade auch im Zusammenhang mit dem Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV betont (EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 104 – Carmen Media Group).
Die deutschen Bundesländer konnten es deshalb im Hinblick auf die besonderen Gefahren des Glücksspielvertriebs im Internet (vgl. oben Rn. 32) für erforderlich halten, diesen Vertriebsweg im Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags vollständig auszuschließen. Dieses Ergebnis ließ sich nur durch das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV erreichen, nicht dagegen durch weniger einschneidende Reglementierungen des Vertriebskanals Internet.
Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union, in dem ein mitgliedstaatliches Verbot des Vertriebs von Kontaktlinsen über das Internet als nicht erforderlich und damit als unzulässige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit angesehen worden ist (EuGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 – C-108/09, GRUR 2011, 243 Rn. 58, 65 ff., 75 – Ker-Optica). Anders als in jenem Fall sind die das Verbot des Internetvertriebs von Glücksspielen rechtfertigenden Gefahren unmittelbar und zwangsläufig mit dem Medium Internet verbunden (etwa mangelnde soziale Kontrolle wegen Anonymität, permanente Spielmöglichkeit, besondere Bequemlichkeit der Spielteilnahme). Sie lassen sich daher nicht durch begleitende Erläuterungen während des Spiels ausräumen.
5. Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV. Der Gerichtshof hat wiederholt betont, dass die unionsrechtliche Kohärenzprüfung beschränkender Maßnahmen im Glücksspielsektor im Einzelfall Sache der nationalen Gerichte ist (vgl. EuZW 2007, 209 Rn. 58 – Placanica; NVwZ 2010, 1422 Rn. 65 – Carmen Media Group). Die für diese Prüfung maßgeblichen Grundsätze des Unionsrechts hat er in einer Vielzahl von Entscheidungen geklärt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257 Rn. 14 C.I.L.F.I.T.).
Das gilt insbesondere für § 4 Abs. 4 GlüStV (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 98, 105 – Carmen Media Group). Dabei war dem Gerichtshof auch die für Pferdewetten geduldete Ausnahme bekannt (vgl. EuGH, NVwZ 2010, 1422 Rn. 98 – Carmen Media Group – in Verbindung mit dem Vorlagebeschluss des VG Schleswig, ZfWG 2008, 69, 74, und der dort erfolgten Bezugnahme auf die Ausführliche Stellungnahme der Kommission im Notifizierungsverfahren, S. 1 u., 3 bei Ziff. 2.2, Anlage 1 a zum Entwurf des Gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland, Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks. 14/4849). Sie hat dem Gerichtshof aber keinen Anlass zu Zweifeln an der Kohärenz des § 4 Abs. 4 GlüStV gegeben.
6. Der Unterlassungstenor geht auch nicht über das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV hinaus, weil er unterschiedslos Sportwetten zu festen Gewinnquoten erfasst und damit Pferdewetten einschließt. Wie dargelegt (s. Oben Rn. 58), gilt § 4 Abs. 4 GlüStV auch für Pferdewetten. Die Beklagten machen zudem nicht geltend, die für den Abschluss oder die Vermittlung von Pferdewetten nach § 2 Abs. 2 RennwLottG erforderliche landesrechtliche Erlaubnis für Hessen erhalten zu haben.
IV. Da der auf Unterlassung gerichtete Klageantrag begründet ist, hat das Berufungsgericht auch die darauf rückbezogenen Anträge auf Auskunftserteilung (§ 242 BGB) und Feststellung der Schadensersatzpflicht (§ 9 UWG) zu Recht zugesprochen.
1. Die Feststellung der Ersatzpflicht im gerichtlichen Verfahren setzt voraus, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens besteht. Dafür reicht es aus, dass aufgrund des festgestellten Sachverhalts ein Schaden zumindest denkbar und möglich erscheint, wobei ein großzügiger Maßstab geboten ist (BGH, Urteil vom 6. März 2001 – KZR 32/98, GRUR 2001, 849, 850). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Es ist nach der Lebenserfahrung jedenfalls denkbar und möglich, dass das Internetangebot der Beklagten, insbesondere wegen seiner großen Bequemlichkeit und Anonymität, Spielinteressierte in Hessen davon abgehalten hat, Spielmöglichkeiten bei der Klägerin im herkömmlichen Vertrieb zu nutzen.
2. Das Berufungsgericht hat ein Verschulden der Beklagten für den hier allein noch erheblichen Zeitraum ab dem 1. Januar 2008 zutreffend mit der Erwägung bejaht, die Rechtslage sei mit dem Inkrafttreten des Verbots für das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) hinreichend geklärt worden. Die Beklagten mussten jedenfalls ernsthaft damit rechnen, dass das zuständige Gericht einen Wettbewerbsverstoß annehmen werde. Die Kommission hatte zwar Ende Januar 2008 eine Untersuchung unter anderem über die Vereinbarkeit des § 4 Abs. 4 GlüStV mit dem Unionsrecht eingeleitet und dazu am 31. Januar 2008 eine Pressemitteilung veröffentlicht (IP/08/119). Das Ergebnis dieser Untersuchung und eines ihr gegebenenfalls folgenden Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union war aber völlig offen. Deutschland hatte bereits für den Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags näher begründet, warum das Internetverbot unionsrechtlich zulässig sei. Soweit ersichtlich, hat die Kommission die Sache auch nicht weiterverfolgt und keine mit Gründen versehene Stellungnahme im Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV abgegeben.
C. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
RiBGH Pokrant ist in Kur und kann daher nicht unterschreiben.
Bornkamm Bornkamm Schaffert
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 29.11.2007 – 13 O 119/06 –
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 04.06.2009 – 6 U 261/07 –