BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet am: 11. Dezember 2003
Playstation
Der Hinweis in einer Werbeanzeige, daß eine „Abgabe nur in haushaltsüblichen Mengen, solange der Vorrat reicht“ erfolgt, begründet für sich allein nicht den Vorwurf sittenwidrigen Wettbewerbsverhaltens. Der Werbende folgt damit dem Gebot, irreführende Angaben über die Vorratsmenge zu unterlassen.
BGH, Urt. v. 11. Dezember 2003 – I ZR 83/01 – Kammergericht LG Berlin
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 21. November 2000 aufgehoben und das Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin vom 25. April 2000 abgeändert.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin vertreibt unter anderem Mobilfunktelefone und Geräte der Unterhaltungselektronik. In der am 10. Februar 2000 erschienenen Ausgabe der Tageszeitung „B.“ bot sie unter der Überschrift „Ohne Handikap zum High-Score? Das gibt’s doch gar nicht!“ ein „PLAY- UND TELEFONIER-PAKET BESTEHEND AUS:“ einem dem Typ nach bezeichneten Mobilfunktelefon der Marke M. und einer S. -Playstation zum Preis von 1 DM an. Ein bei der blickfangmäßig herausgestellten Preisangabe angebrachter Stern verwies den Leser darauf, daß der Angebotspreis „nur in Verbindung mit der Freischaltung eines d. -Netzkartenvertrags mit einer Vertragslaufzeit von 24 Monaten“ Gültigkeit habe. Die Anzeige ist nachstehend verkleinert und in schwarz-weiß wiedergegeben. [….. BILD…..]
Die Beklagte ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
Sie hat die Werbung unter Hinweis auf die Zugabeverordnung und auf das Verbot des übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG als wettbewerbswidrig beanstandet. Im Wege der Widerklage – die von der Klägerin zunächst erhobene negative Feststellungsklage haben die Parteien nach Erhebung der Widerklage übereinstimmend für erledigt erklärt – hat die Beklagte beantragt, die Klägerin unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in an Letztverbraucher gerichteter Werbung für den Verkauf eines Mobiltelefons mit einem Preis in Höhe von 1 DM in Verbindung mit dem Abschluß eines Netzkartenvertrages zu werben, wenn das Angebot die Abgabe einer „S. Playstation“ beinhaltet, insbesondere wie oben wiedergegeben zu werben.
Das Landgericht hat die Klägerin antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben (KG WRP 2001, 983).
Mit der Revision, deren Zurückverweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die beanstandete Werbung der Klägerin verstoße gegen § 1 Abs. 1 Satz 3 ZugabeVO. Dazu hat es ausgeführt: Eine (unzulässige) Zugabe im Sinne der Zugabeverordnung sei eine von der Hauptware verschiedene zusätzlich in Aussicht gestellte oder gewährte Nebenleistung. Entscheidend sei danach, ob die Klägerin ein Gesamtangebot zu einem Gesamtpreis beworben habe oder ob die gekoppelten Waren und Leistungen im Verhältnis von Hauptleistung (Handy und Netzkartenvertrag) und Nebenware (Playstation) stünden. Im Streitfall erscheine es jedenfalls derzeit noch überwiegend wahrscheinlich, daß der Verkehr Handy und Netzkartenvertrag einerseits und Playstation andererseits nicht als einheitliches Angebot wahrnehme, da ihm diese Zusammenstellung bislang noch unbekannt sei. Die Klägerin habe auch angekündigt, einen Scheingesamtpreis zu verlangen. Denn die Playstation sei normalerweise – auch von der Klägerin – zu einem Preis von etwa 230 DM abgegeben worden.
Unter diesen Umständen könne offenbleiben, ob sich das Angebot der Klägerin auch als ein lauterkeitsrechtlich zu beanstandendes unzulässiges Anlocken i.S. des § 1 UWG darstelle.
II. Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Widerklage.
1. Die Beklagte macht einen in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch geltend. Ob ihr ein solcher Anspruch (weiterhin) zusteht, ist nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht zu beantworten (vgl. BGHZ 151, 84, 86 – Kopplungsangebot I; BGH, Urt. v. 10.4.2003 – I ZR 291/00, GRUR 2003, 890, 891 = WRP 2003, 1217 – Buchclub-Kopplungsangebot; Urt. v. 22.5.2003 – I ZR 8/01, GRUR 2003, 1057 = WRP 2003, 1428 – Einkaufsgutschein). Der rechtlichen Beurteilung ist daher die seit Erlaß des Berufungsurteils durch Aufhebung der Zugabeverordnung veränderte Rechtslage zugrunde zu legen (Gesetz zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften v. 23.7.2001, BGBl. I S. 1661). Dementsprechend ist der Streitfall allein nach §§ 1, 3 UWG zu beurteilen.
2. Die angegriffene Werbung der Klägerin stellt sich nicht unter dem Gesichtspunkt eines mißbräuchlichen Kopplungsangebots als wettbewerbswidrig nach § 1 UWG dar.
a) Werden dem Verbraucher für den Fall des Erwerbs einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Leistung Vergünstigungen, insbesondere Geschenke, versprochen, liegt darin nicht ohne weiteres ein übertriebenes Anlokken, und zwar unabhängig davon, ob zwischen der Hauptleistung und dem Geschenk aus Sicht des Verbrauchers ein Funktionszusammenhang besteht oder nicht. Vielmehr ist es dem Kaufmann grundsätzlich gestattet, verschiedene Angebote miteinander zu verbinden; dies gilt auch, wenn ein Teil der auf diese Weise gekoppelten Waren oder Leistungen ohne besonderes Entgelt abgegeben wird (vgl. BGHZ 151, 84, 88 – Kopplungsangebot I; BGH, Urt. v. 13.6.2002 – I ZR 71/01, GRUR 2002, 979, 981 = WRP 2002, 1259 – Kopplungsangebot II; BGH GRUR 2003, 890, 891 – Buchclub-Kopplungsangebot).
b) Die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, ist grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Wettbewerbs. Das schließt es allerdings nicht aus, eine das zulässige Maß übersteigende Werbung in eng begrenzten Einzelfällen – insbesondere wenn ein Teil eines Angebots unentgeltlich gewährt werden soll – anzunehmen, sofern von der Vergünstigung eine derart starke Anziehungskraft ausgeht, daß der Kunde davon abgehalten wird, sich mit dem Angebot der Mitbewerber zu befassen.
Von einem übertriebenen, die Wettbewerbswidrigkeit begründenden Anlocken kann in diesem Zusammenhang aber nur ausgegangen werden, wenn auch bei einem verständigen Verbraucher ausnahmsweise die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt (vgl. BGHZ 151, 84, 89 – Kopplungsangebot I; BGH GRUR 2002, 979, 981 – Kopplungsangebot II; GRUR 2003, 890, 891 – Buchclub-Kopplungsangebot; Urt. v. 30.1.2003 – I ZR 142/00, GRUR 2003, 624, 626 = WRP 2003 886 – Kleidersack). Letzteres kann im Streitfall nicht angenommen werden. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann der Hinweis auf die beschränkte Vorratsmenge „Abgabe nur in haushaltsüblichen Mengen, solange der Vorrat reicht“ den Vorwurf sittenwidrigen Wettbewerbsverhaltens nicht begründen. Die Klägerin folgt damit dem Gebot, irreführende Angaben über die Vorratsmenge zu unterlassen. Mit dem Hinweis allein wird auf das Kaufverhalten des Kunden kein unlauterer zeitlicher Druck ausgeübt.
c) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, die Klägerin habe nicht ausreichend über die mit dem Abschluß des Netzkartenvertrages entstehenden Kosten informiert.
Es ist zwar wettbewerbswidrig, wenn dem Verbraucher für den Fall des Erwerbs einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Leistung Vergünstigungen versprochen werden und dies in einer Weise geschieht, daß die Kunden über den tatsächlichen Wert des Angebots getäuscht oder doch unzureichend informiert werden (vgl. BGH GRUR 2002, 979, 981 f. – Kopplungsangebot II; BGH GRUR 2003, 1057 – Einkaufsgutschein). Das kann im Streitfall jedoch nicht angenommen werden, weil die in Rede stehende Werbeanzeige – was auch die Revisionserwiderung nicht in Frage stellt – ausreichende Angaben über die mit dem Abschluß eines Netzkartenvertrages entstehenden Folgekosten enthält.
d) Das Vorbringen der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung, daß mit dem beworbenen Angebot die Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausgenutzt werde, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil ein Vertrag über die von der Klägerin angebotene Ware/Leistung nur rechtswirksam von einer voll geschäftsfähigen Person abgeschlossen werden kann.
III. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Widerklage unter Abänderung des ihr stattgebenden Urteils des Landgerichts abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 91a ZPO.