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BGH, Urteil v. 3.7.2003 – I ZR 66/01 – 11880, Preisangabe bei Telefonauskunft

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

I ZR 66/01

Verkündet am: 3. Juli 2003

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Starck, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. Dezember 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte betreibt unter der Telefonnummer 11880 einen Inlandsauskunftsdienst.

Sie stellt den Kunden hierfür 0,992 € (=1,94 DM) und, sofern das Gespräch länger als eine Minute dauert, je angefangenen weiteren 7,5 Sekunden zusätzlich 0,062 € (=0,121 DM) in Rechnung. Sie bewirbt ihre Leistungen u.a. in Zeitschriften sowie in Fernsehspots, wobei sie jeweils auch die Telefonnummer 11880 angibt. In vier solchen im Oktober 1999 gesendeten Spots hat sie ohne Hinweis auf die von ihr verlangten Preise geworben. Auch ihre Werbung in den Zeitschriften enthielt teilweise keine Hinweise auf die von ihr für die Auskünfte berechneten Entgelte.

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Er hat die Werbung der Beklagten ohne die Angabe der von dieser in Rechnung gestellten Entgelte als Verstoß gegen § 1 der Preisangabenverordnung (v. 14.3.1985, BGBl. I S. 580, neugefaßt gemäß Bekanntmachung vom 28.7.2000, BGBl. I S. 1244 – PAngV) und damit zugleich gegen § 1 UWG sowie als irreführend i.S. von § 3 UWG beanstandet.

Der Kläger hat beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr in Zeitschriften oder in Fernsehspots zu Zwecken des Wettbewerbs die Leistung „Auskunftsdienst-Inland“ unter der Nummer 11880 Letztverbrauchern anzubieten, bzw. für diese Leistung gegenüber Letztverbrauchern in Zeitschriften oder in Fernsehspots zu werben, ohne den Preis für die Leistung anzugeben.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten, Werbung in Printmedien und im Rundfunk stelle kein Angebot i.S. des § 1 PAngV, sondern lediglich eine Aufforderung dar, der Beklagten gegenüber ein Angebot abzugeben. Allenfalls beinhaltete die Fernsehwerbung ein mündliches Angebot i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 4 PAngV (a.F.; nunmehr § 9 Abs. 1 Nr. 4 PAngV), so daß die Preisangabenverordnung jedenfalls insoweit nicht einschlägig wäre. Da sich der Verkehr inzwischen daran gewöhnt habe, daß die Tarife für telefonische Auskünfte weitaus höher lägen als die Gebühren für Ortsgespräche, sei die Beklagte auch nicht im Hinblick auf das Irreführungsverbot in § 3 UWG verpflichtet, die Verbraucher über ihre Preise aufzuklären.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat zur Verurteilung der Beklagten gemäß dem Klageantrag geführt (OLG München ZUM-RD 2001, 454 = OLG-Rep 2001, 219). Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat das vom Kläger beanstandete Verhalten der Beklagten als Verstoß gegen die Preisangabenverordnung und damit zugleich i.S. von § 1 UWG wettbewerbswidrige Verhaltensweise gewertet. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Begriff des Anbietens i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 PAngV schließe solche Erklärungen ein, durch die der Kunde, wenn auch rechtlich noch unverbindlich, tatsächlich schon gezielt und so konkret auf den Erwerb eines Produkts angesprochen werde, daß aus seiner Sicht nach der Auffassung des Verkehrs ein Geschäftsabschluß ohne weiteres möglich sei. Das sei hier der Fall, da die Leistung der Beklagten aufgrund der in Rede stehenden Werbemaßnahmen sofort und ohne weiteres in Anspruch genommen werden könne.

Ein (ausschließlich) mündlich vorgetragenes Angebot liege auch bei einem Werbespot im Fernsehen nicht vor. Zwar sei das Bild dort nur kurze Zeit zu sehen; es stehe aber einem mündlichen Angebot nicht gleich, weil dessenungeachtet Preise technisch ohne weiteres schriftbildlich angegeben werden könnten.

Die mit der Klage angegriffene Verhaltensweise der Beklagten berühre wesentliche Belange der Verbraucher, da diese keine zumutbare Gelegenheit hätten, die Preise für die Auskunftsleistung zu vergleichen.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Der Kläger erfüllt die für seine Klagebefugnis nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG (in der Fassung, in der diese Bestimmung seit dem 1. Juli 2000 gilt) erforderliche Voraussetzung der Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG.

2. Entgegen der Auffassung der Revision ändert der Umstand, daß die Beklagte als Anbieterin von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit gemäß § 27 Abs. 1 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (v. 11.12.1997, BGBl. I S. 2910, zuletzt geändert durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung v. 20.8.2002, BGBl. I S. 3365 – TKV) namentlich die von den Endkunden verlangten Entgelte zu veröffentlichen hat, nichts an ihrer nach den sonstigen Vorschriften bestehenden Verpflichtung zur Angabe von Preisen. Das folgt aus § 41 des Telekommunikationsgesetzes (v. 25.7.1996, BGBl. I S. 1120, zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes vom 21.10.2002, BGBl. I S. 4186 – TKG), auf dessen Grundlage die Telekommunikations- Kundenschutzverordnung erlassen worden ist. Diese Bestimmung enthält lediglich die Ermächtigung zum Erlaß von Rahmenvorschriften für die Inanspruchnahme von Telekommunikationsdienstleistungen „zum besonderen Schutz der Nutzer, insbesondere der Verbraucher“. Dementsprechend läßt die Telekommunikations-Kundenschutzverordnung nach anderen Bestimmungen bestehende Informationspflichten unberührt. Das gilt auch für die Informationspflichten nach der Preisangabenverordnung, die ihrerseits für den Bereich der Telekommunikation keine Ausnahme vorsieht.

3. Das Berufungsgericht hat die in Rede stehenden Werbemaßnahmen nicht lediglich als Werbung i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 PAngV, sondern als Leistungsangebot i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 PAngV angesehen. Diese Beurteilung entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach hierfür Ankündigungen genügen, die so konkret gefaßt sind, daß sie nach der Auffassung des Verkehrs den Abschluß eines Geschäfts auch aus der Sicht des Kunden ohne weiteres zulassen (vgl. BGH, Urt. v. 4.3.1982 – I ZR 30/80, GRUR 1982, 493, 494 = WRP 1982, 411 – Sonnenring; Urt. v. 23.6.1983 – I ZR 75/81, GRUR 1983, 658, 659 f. – Hersteller-Preisempfehlung in Kfz-Händlerwerbung; Urt. v. 23.6.1983 – I ZR 109/81, GRUR 1983, 661, 662 = WRP 1983, 559 – Sie sparen 4 000.- DM; vgl. auch Völker, Preisangabenrecht, 2. Aufl., § 1 PAngV Rdn. 25 f. m.w.N.). Denn die im Zusammenhang mit einer konkreten Dienstleistung beworbene Telefonnummer ermöglicht es dem Verbraucher, mit deren Wahl auf die angebotene Dienstleistung unmittelbar zuzugreifen. Die Möglichkeit einer allgemeinen Unternehmenswerbung ohne die Verpflichtung zur Preisangabe bleibt der Beklagten unbenommen. Der im Verbotstenor des Berufungsurteils entsprechend dem Klageantrag enthaltene Zusatz „bzw. für diese Leistung … zu werben“ erfaßt nicht diese Imagewerbung, sondern sollte erkennbar lediglich verdeutlichen, daß das Angebot der Dienstleistung in Werbeträgern erfolgt ist.

4. Mit Recht hat das Berufungsgericht auch die Werbesendungen der Beklagten im Fernsehen nicht als nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 PAngV (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 PAngV a.F.) ohne Angabe von Preisen zulässige mündliche Angebote angesehen. Daß die Preisangabenverordnung die über Bildschirm erfolgenden Angebote nicht als mündliche Angebote behandelt, erschließt sich aus ihren § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 1 Satz 3, wo als Ort des Leistungsangebots neben den Printmedien auch die „Bildschirmanzeige“ ausdrücklich erwähnt wird (vgl. Völker aaO § 4 PAngV Rdn. 32 und § 5 PAngV Rdn. 19).

5. Zweck der Preisangabenverordnung ist es, durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und Preisklarheit zu gewährleisten und durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber Handel und Gewerbe zu stärken und den Wettbewerb zu fördern (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 28.11.1996 – I ZR 197/94, GRUR 1997, 767, 769 = WRP 1997, 735 – Brillenpreise II; Urt. v. 25.2.1999 – I ZR 4/97, GRUR 1999, 762, 763 = WRP 1999, 845 – Herabgesetzte Schlußverkaufspreise).

Ihre Bestimmungen weisen damit Wettbewerbsbezug auf, weshalb Verstöße gegen sie zugleich den Tatbestand des § 1 UWG erfüllen. Die vom Kläger beanstandete Verhaltensweise der Beklagten berührt auch wesentliche Belange der Verbraucher im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 UWG, da sie deren Interessen nicht lediglich am Rande betrifft. Für die vorliegende Entscheidung ist es entgegen dem Vorbringen der Revision in der mündlichen Verhandlung unerheblich, daß der Bundesgesetzgeber derzeit den Erlaß einer sondergesetzlichen Regelung beabsichtigt, mit der für bestimmte Telefon-Mehrwertdienste, zu denen der von der Beklagten betriebene Auskunftsdienst nicht gehören soll, eine Verpflichtung zur Mitteilung des vom Verbraucher zu zahlenden Preises vor Beginn der Entgeltpflichtigkeit eingeführt werde (vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit v. 4.6.2003, BT-Drucks. 15/1126, S. 5).

6. Nach allem ist nicht näher zu erörtern, ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sich auch aus §§ 2, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG ergeben könnte, weil die vom Kläger beanstandeten Werbemaßnahmen der Beklagten verbraucherschutzgesetzwidrige Praktiken im Sinne des am 1. Juli 2000 in Kraft getretenen, d.h. im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung bereits geltenden und ab 1. Januar 2002 durch den – inhaltsgleichen – § 2 UKlaG ersetzten § 22 AGBG darstellen.

III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.