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BGH, Urteil v. 9.6.2004 – I ZR 187/02 – 500 DM-Gutschein für Autokauf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

I ZR 187/02

Verkündet am: 9. Juni 2004

500 DM-Gutschein für Autokauf

UWG § 1

Die Werbung eines Fahrschulunternehmens, jeder Fahrschüler erhalte zur bestandenen Prüfung einen Gutschein in Höhe von 500 DM für einen Fahrzeugkauf bei einem bestimmten Autohaus, ist kein unlauteres Wettbewerbsverhalten.

BGH, Urt. v. 9. Juni 2004 – I ZR 187/02 – OLG Schleswig LG Lübeck

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 25. Juni 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte, der in B. eine Fahrschule betreibt, ließ in der Ausgabe des Anzeigenblattes „M. “ vom 9. Mai 2001 folgende Anzeige schalten: „Seit diesem Jahr arbeitet die Fahrschule S. mit Opel Astra vom Autohaus H. Der gute Ruf vor allem im Service sowie der gute Kontakt zum Kunden veranlaßten ihn zu diesem Schritt. Um für die Fahrschüler den Fahranfang noch weiter zu erleichtern, werden die Schüler nicht nur mit der neuesten Generation von Opel Astra-Fahrzeugen geschult, sondern jeder erhält zur bestandenen Prüfung einen Gutschein in Höhe von DM 500,00 für den Fahrzeugkauf beim Autohaus H.“.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hält die Werbung insbesondere unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens für wettbewerbswidrig. Sie hat den Beklagten auf Unterlassung und Ersatz ihrer Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen,

a) es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Fahrschülern, die eine Prüfung bestanden haben, einen Gutschein in Höhe von 500 DM für ein Autohaus zu versprechen und/oder diesen Schülern einen solchen Gutschein auszuhändigen,

b) an die Klägerin 342,40 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.

Mit ihrer (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die beanstandete Werbung verstoße nicht gegen § 1 UWG. Dazu hat es ausgeführt:

Nach Aufhebung der Zugabeverordnung und des Rabattgesetzes seien Zugaben und Rabatte für alle Unternehmen in Deutschland grundsätzlich erlaubt.

Ihre Zulässigkeitsgrenzen fänden sie nur in den allgemeinen Rechtsvorschriften. Das Werbeversprechen des Beklagten erfülle nicht den Tatbestand des wettbewerbswidrigen „übertriebenen Anlockens“. Die Gutscheinaktion des Beklagten übe auf die umworbenen Fahrschüler nicht eine so starke Anziehungskraft aus, daß die Rationalität der Nachfrageentscheidung verdrängt werde. Ein potentieller Fahrschüler werde bei der Auswahl einer Fahrschule insbesondere folgende Kriterien beachten und gegebenenfalls in seine Kalkulation einbeziehen:

Höhe des Grund- und Stundenpreises, Dauer der Ausbildung sowie Anzahl der Fahrstunden bis zur Prüfungsreife. Daß ein Fahrschüler diese Kriterien im Hinblick auf den versprochenen Gutschein überhaupt nicht mehr prüfen werde, sei bei einem durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Durchschnittsverbraucher nicht zu erwarten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin täusche der Beklagte nicht über die Werthaltigkeit des Gutscheins, da der versprochene Gutscheinbetrag beziffert sei. Die Werbung des Beklagten sei auch nicht deshalb sittenwidrig i.S. Des § 1 UWG, weil sie sich vorrangig an jüngere Menschen im Alter zwischen etwa 17 und 20 Jahren wende. Selbst wenn die Anlockwirkung bei diesem Adressatenkreis wegen der im allgemeinen noch geringen Einkünfte überdurchschnittlich hoch sein dürfte und die Angesprochenen aufgrund ihres Alters möglicherweise noch nicht über ein abgeklärtes Verbrauchererfahrungswissen verfügten, seien diese Adressaten nicht unerfahrenen Kindern, sondern Volljährigen gleichzusetzen, bei denen durchschnittliche Informationen, verständige Würdigung und Aufmerksamkeit vorausgesetzt werden könnten.

Eine Sittenwidrigkeit i.S. des § 1 UWG folge auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer individuellen Behinderung von Mitbewerbern des Beklagten.

II. Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Die angegriffene Werbung des Beklagten verstößt nicht gegen § 1 UWG.

a) Die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, ist grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Wettbewerbs. Weder der Einsatz von Elementen der Wertreklame im Rahmen einer Werbeanzeige noch der hiervon möglicherweise ausgehende sogenannte aleatorische Reiz reichen für sich allein aus, um eine Werbemaßnahme als unlauter i.S. von § 1 UWG erscheinen zu lassen. Es müssen vielmehr zusätzliche, besondere Umstände vorliegen, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit i.S. Von § 1 UWG rechtfertigen (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.2000 – I ZR 239/97, GRUR 2000, 820, 821 = WRP 2000, 724 – Space Fidelity Peep-Show; Urt. v. 13.3.2003 – I ZR 212/00, GRUR 2003, 626, 627 = WRP 2003, 742 – Umgekehrte Versteigerung II; Urt. v. 13.11.2003 – I ZR 40/01, GRUR 2004, 249, 250 = WRP 2004, 345 – Umgekehrte Versteigerung im Internet). Wettbewerbswidrig ist die Werbung erst dann, wenn der Einsatz des Werbemittels dazu führt, die freie Entschließung der angesprochenen Verkehrskreise so nachhaltig zu beeinflussen, daß ein Vertragsschluß nicht mehr von sachlichen Gesichtspunkten, sondern maßgeblich durch das Streben nach der in Aussicht gestellten Vergünstigung bestimmt wird mit der Folge, daß die Rationalität der Nachfrageentscheidung auch bei einem verständigen Verbraucher vollständig in den Hintergrund tritt (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1998 – I ZR 151/95, GRUR 1998, 735, 736 = WRP 1998, 724 – Rubbelaktion; Urt. v. 11.12.2003 – I ZR 83/01, GRUR 2004, 343 f. = WRP 2004, 483 – Playstation; BGH GRUR 2000, 820, 821 – Space Fidelity Peep-Show; GRUR 2003, 626, 627 – Umgekehrte Versteigerung II; GRUR 2004, 249, 250 – Umgekehrte Versteigerung im Internet). Letzteres kann im Streitfall nicht angenommen werden.

b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß von einer zusätzlich zur entgeltlichen Hauptleistung versprochenen unentgeltlichen Vergünstigung mit – wie hier – erheblichem Wert regelmäßig ein hoher Anreiz zum Vertragsabschluß ausgeht, weil damit in besonderer Weise der Eindruck eines außergewöhnlich vorteilhaften Angebots erweckt wird. Es hat weiterhin mit Recht angenommen, daß die Anlockwirkung des Gutscheinangebots des Beklagten bei dem vorrangig angesprochenen Verkehrskreis – jüngere Menschen im Alter zwischen etwa 17 und 20 Jahren – überdurchschnittlich hoch sein dürfte, da diese Personengruppe im allgemeinen nur über geringe Einkünfte verfügt.

c) Das reicht entgegen der Ansicht der Revision jedoch nicht aus für die Annahme, von dem Angebot des Beklagten gehe eine derart starke Anziehungskraft aus, daß die beteiligten Verkehrskreise von einem sachgerechten Preis- und Leistungsvergleich der auf dem Markt befindlichen Fahrschulen abgelenkt würden. Die Revisionserwiderung weist mit Recht darauf hin, daß die Zielgruppe des Beklagten nicht der „Jugendliche“ im allgemeinen ist, sondern Fahrschulinteressenten im Alter zwischen etwa 17 und 20 Jahren. Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß auch bei einem Fahrschulinteressenten dieser Altersgruppe nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß er die für die Auswahl einer Fahrschule maßgeblichen Kriterien – Höhe der Grundgebühr, Preis einer einzelnen Fahrstunde, Dauer und Effektivität der Ausbildung – im Hinblick auf den in Aussicht gestellten Gutschein vollständig in den Hintergrund treten läßt. Er ist vielmehr im Grundsatz darüber informiert, daß für den erfolgreichen Abschluß einer Fahrprüfung Kosten aufzuwenden sind, die sich zwischen 1.000 € und 2.000 € bewegen. Schon in Anbetracht dieses finanziellen Aufwands liegt es erfahrungsgemäß eher fern, daß der von der Werbung angesprochene Jugendliche seine Entscheidung vorrangig von dem Wert des versprochenen Gutscheins beeinflussen läßt. Zudem mindert der versprochene Gutschein nicht den finanziellen Aufwand für den Fahrunterricht selbst, sondern läßt lediglich den eine eigene Kaufentscheidung voraussetzenden Erwerb eines Wagens bei einem bestimmten Autohändler als „vergünstigt“ erscheinen.

2. Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, die Werbung des Beklagten informiere – anders als in § 19 Abs. 1 Satz 3 und 4 FahrlehrerG vorgeschrieben – in keiner Weise über die vor Erhalt des Gutscheins aufzuwendenden Fahrschulgebühren, so daß dem Transparenzgebot nicht genügt werde.

a) Es ist zwar wettbewerbswidrig, wenn dem Verbraucher für den Fall des Erwerbs einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Leistung Vergünstigungen versprochen werden und dies in einer Weise geschieht, daß die Kunden über den tatsächlichen Wert des Angebots getäuscht oder doch unzureichend informiert werden (vgl. BGH, Urt. v. 13.6.2002 – I ZR 71/01, GRUR 2002, 979, 981 f. = WRP 2002, 1259 – Kopplungsangebot II; GRUR 2004, 343, 344 – Playstation, m.w.N.). Das kann im Streitfall jedoch nicht angenommen werden.

b) Die Werbung des Beklagten verstößt nicht gegen § 19 Abs. 1 FahrlehrerG. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 FahrlehrerG hat der Inhaber einer Fahrschule seine Entgelte mit den Geschäftsbedingungen in den Geschäftsräumen durch Aushang bekanntzugeben. Dabei ist das Entgelt pauschaliert für die allgemeinen Aufwendungen des Fahrschulbetriebs einschließlich des gesamten theoretischen Unterrichts, für die Vorstellung zur Prüfung und für die Aufbauseminare (§ 31) sowie stundenbezogen für eine Fahrstunde im praktischen Unterricht und für die Unterweisung am Fahrzeug zu jeweils 45 Minuten anzugeben (§ 19 Abs. 1 Satz 3 FahrlehrerG). Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 4 FahrlehrerG gilt das auch, wenn in der Werbung außerhalb der Geschäftsräume Preise angegeben werden. Da die Werbeanzeige des Beklagten keine Hinweise auf Preise enthält, sondern allein auf den Erhalt des Wertgutscheins aufmerksam macht, welcher im Falle des Bestehens der Führerscheinprüfung beim Kauf eines Autos von einem bestimmten Autohändler eingelöst wird, scheidet ein Verstoß gegen § 19 Abs. 1 Satz 3 und 4 FahrlehrerG von vornherein aus.

c) Ebensowenig ist eine Preisverschleierung wegen Verletzung von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV gegeben. Der Beklagte bietet in der beanstandeten Annonce keine Leistung an i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV. Der Begriff des Anbietens, welches eine Verpflichtung zur Angabe des Preises auslöst, umfaßt über die Fälle des § 145 BGB hinaus entsprechend dem üblichen Sprachgebrauch jede Erklärung eines Kaufmanns, die im Verkehr in einem rein tatsächlichen Sinne als Angebot an den Kaufinteressenten verstanden wird. Insoweit ist erforderlich, daß der Kunde – wenn auch rechtlich noch unverbindlich – tatsächlich aber schon gezielt auf den Kauf einer Ware oder die Abnahme einer Leistung angesprochen wird. Werbeanzeigen, die nach ihrem Inhalt den Abschluß eines Geschäfts nicht ohne weiteres zulassen, genügen dem nicht. Bedarf es ergänzender Angaben und weiterer Verhandlungen, um das Geschäft zum Abschluß zu bringen, enthält die Werbung noch kein Angebot i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV (vgl. BGHZ 155, 301, 304 – Telefonischer Auskunftsdienst; BGH, Urt. v. 4.3.1982 – I ZR 30/80, GRUR 1982, 493, 494 = WRP 1982, 411 – Sonnenring; Urt. v. 23.6.1983 – I ZR 75/81, GRUR 1983, 658, 660 = WRP 1983, 556 – Hersteller-Preisempfehlung in Kfz-Händlerwerbung). Die hier in Rede stehende Anzeige informiert den Leser lediglich darüber, daß der Beklagte Führerscheinbewerbern das Absolvieren von Fahrstunden mit den neuesten Fahrzeugen eines bestimmten Typs ermöglicht und bei Bestehen der Fahrprüfung einen Wertgutschein in Aussicht stellt.

3. Der Revision ist auch nicht darin beizutreten, daß die beanstandete Werbung unter dem Gesichtspunkt einer nach § 1 UWG wettbewerbswidrigen Marktstörung zu untersagen sei.

Eine allgemeine Marktbehinderung oder Marktstörung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegeben, wenn ein für sich genommen nicht unlauteres aber doch bedenkliches Wettbewerbsverhalten allein oder in Verbindung mit gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet, der Wettbewerb werde in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt (vgl. BGHZ 114, 82, 84 – Motorboot-Fachzeitschrift; BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 128/98, GRUR 2001, 80, 81 = WRP 2000, 1394 – ad-hoc-Meldung; Urt. v. 14.12.2000 – I ZR 147/98, GRUR 2001, 752, 753 = WRP 2001, 688 – Eröffnungswerbung). Es bestehen keinerlei konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Werbung im Streitfall eine solche ernstliche Gefahr begründen könnte.

III. Danach war die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.