BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
vom 16. August 2007
Zur Anwendbarkeit des § 284 StGB auf die ohne Vorliegen einer behördlichen Genehmigung betriebene gewerbliche Vermittlung von Sportwetten (sog. Oddset-Wetten) in der Zeit vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 (sog. Altfälle).
BGH, Urteil vom 16. August 2007 – 4 StR 62/07 – LG Saarbrücken wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. August 2007, an der teilgenommen haben:
(………..)
für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Juli 2006 wird verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten – aus tatsächlichen Gründen – von dem Vorwurf unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels in zwei Fällen freigesprochen. Zugleich hat das Landgericht angeordnet, den Angeklagten aus der Landeskasse für die infolge von Durchsuchungsmaßnahmen sowie infolge der hiermit verbundenen Beschlagnahmen entstandenen Schäden zu entschädigen. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Im Ergebnis bleibt das – vom Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel ohne Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte seit dem 15. Oktober 2003 ein Wettbüro in V. . Eine behördliche Genehmigung hierfür besaß er nicht. Bei der Gewerbeanmeldung gegenüber dem Ordnungsamt der Stadt V. hatte er als Geschäftszweck angegeben: „Vertrieb von Sport-Fan-Artikeln hauptsächlich über das Internet; Sportinformationsdienst; Abwicklung des Zahlungsverkehrs für staatlich lizenzierten Wettanbieter, Datenübertragungsservice“ angegeben. In dem für jedermann zugänglichen Wettbüro konnten sich Interessierte an Sportwetten mit festen Gewinnquoten der Firma M. beteiligen. Diese Firma ist auf der Isle of Man niedergelassen. Der Angeklagte legte die Wettscheine und die jeweils aktuellen Wettprogramme der M. aus, nahm die von den Kunden ausgefüllten Wettscheine sowie den Wetteinsatz entgegen und gab die Wetten in den zur Verfügung gestellten Computer ein, von dem die Daten mittels einer Onlineverbindung an die M. weitergeleitet wurden. Auf diese Weise kamen die Wettverträge zwischen den Kunden und der M. zustande. Die Auszahlung etwaiger Gewinne erfolgte ebenfalls durch den Angeklagten. Von der M. erhielt der Angeklagte Provision in Höhe von monatlich 6.000,- Euro. Auf den Inhalt der Wetten hatte der Angeklagte keinen Einfluss.
Am 2. Februar 2004 wurde das Wettbüro in einem Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels durchsucht, die Einrichtung und Bargeld wurden beschlagnahmt. Der Angeklagte beauftragte daraufhin einen auf das Recht der Sportwetten spezialisierten Rechtsanwalt, der ihm die Auskunft gab, dass viele Gerichte die Vermittlung von Sportwetten bereits als nicht strafbar bewertet hätten, und ihm deshalb zur Weiterführung seines Betriebes riet. Am 1. März 2004 nahm der Angeklagte den Geschäftsbetrieb wieder auf und setzte ihn bis zur zweiten Durchsuchung am 29. März 2004 fort. Ob der Angeklagte bis dahin Kenntnis davon erlangt hatte, dass die Beschwerde seines Anwalts gegen den ersten Durchsuchungsbeschluss zwischenzeitlich als unbegründet verworfen worden war, konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls betrieb der Angeklagte sein Wettbüro auch nach der zweiten Durchsuchung – dies ist nicht mehr Gegenstand der Anklage – noch bis zur Gewerbeabmeldung am 26. April 2005 weiter; zwischenzeitlich hatte die Stadt V. gegen den Angeklagten zwar eine Untersagungsverfügung erlassen, auf dessen Widerspruch hin sich mit ihm im Verwaltungsgerichtsverfahren aber im Wege eines Vergleichs auf eine Duldung seines Betriebes bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Verfassungsbeschwerdesache 1 BvR 1054/01 geeinigt.
2. Das Landgericht hat die Frage, ob das strafbewehrte Verbot der Veranstaltung von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis gemäß § 284 StGB gegen europäisches Gemeinschaftsrecht oder deutsches Verfassungsrecht verstößt, ausdrücklich offen gelassen. Es hat die objektive Strafbarkeit unterstellt, ist jedoch – unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes – von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum im Sinne des § 17 Satz 1 StGB ausgegangen.
II.
Der Revision bleibt der Erfolg versagt.
1. Allerdings hat der Angeklagte objektiv und subjektiv die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 StGB erfüllt (vgl. nur OLG München NJW 2006, 3588; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 284 Rdn. 10 m.w.N.). Nicht zu entscheiden braucht der Senat, ob die Tätigkeit des Angeklagten ein tatbestandliches Veranstalten darstellt; denn jedenfalls hat der Angeklagte – nimmt man als „Veranstalter“ lediglich die auf der Isle of Man ansässige Firma M. an – durch seinen Geschäftsbetrieb „Einrichtungen hierzu bereitgestellt“ (vgl. Senat NStZ 2003, 372, 374; Groeschke/Hohmann MüKo StGB § 284, Rdn. 15, 17). Schließlich besaß der Angeklagte auch keine hier wirksame behördliche Erlaubnis für die Vermittlung von Oddset-Wetten. Ob und inwieweit dies mit Blick auf den Anwendungsvorrang des europäischen Gemeinschaftsrechts (vgl. BVerfG NJW 2006, 1261 Rdn. 77) anders zu beurteilen wäre, wenn der Veranstalter über die behördliche Genehmigung eines Mitgliedsstaats der Europäischen Union verfügte (vgl. dazu die „Gambelli“-Entscheidung des EuGH vom 6. November 2003, NJW 2004, 139), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn wie der Verwaltungsgerichtshof Kassel in seinem Beschluss vom 27. Oktober 2004 (NVwZ 2005, 99) ausführlich dargelegt hat, haben die Vorschriften des EG-Vertrages über die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit für die Isle of Man, auf der die Firma M. ihren Sitz hat, keine Geltung.
2. Das freisprechende Urteil hält jedoch der rechtlichen Nachprüfung deshalb stand, weil die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich bei seiner Betätigung in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 Satz 1 StGB) befunden und sei deshalb straflos, im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist.
Über die Frage, ob der Angeklagte sich in einem Verbotsirrtum befunden hat und ob ein solcher Irrtum vermeidbar war, hat in erster Linie der Tatrichter im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes zu befinden. Seine Entscheidung hat das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen. Anders ist es bei einem Freispruch nur, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich oder lückenhaft ist oder erkennen lässt, dass der Tatrichter überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat. Das ist hier nicht der Fall. Im Ergebnis ist der Senat vielmehr der Auffassung, dass das Risiko der extrem unklaren Rechtslage, wie sie hier durch die Verwaltung und die Rechtsprechung geschaffen worden ist, nicht einseitig dem Normadressaten aufgebürdet werden darf (so auch OLG Stuttgart NJW 2006, 2422). Das verlangt hier bei der Beurteilung der subjektiven Tatseite umso mehr Beachtung, als selbst das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27. April 2005 (1 BvR 223/05 – NVwZ 2005, 1303 m. Anm. Ennuschat DVBl 2005, 1288 und Dietlein, WRP 2005, 1001) – insbesondere unter europarechtlichen Gesichtspunkten – einer Verfassungsbeschwerde gegen eine auf die angenommene Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB gestützte Untersagung der Vermittlung von Sportwetten stattgegeben und dazu ausgeführt hat, zwar liege eine Untersagung strafbaren Verhaltens durch Verwaltungsakt regelmäßig in öffentlichem Interesse, das setze jedoch voraus, dass die Strafbarkeit des in Rede stehenden Verhaltens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne. Gerade das hat das Bundesverfassungsgericht dort aber verneint.
Hiervon ausgehend, hat das Landgericht für den zweiten Tatzeitraum einen unvermeidbaren Verbotsirrtum schon deshalb zu Recht angenommen, weil der Angeklagte zuvor bei einem auf das Recht der Sportwetten spezialisierten Rechtsanwalt um Rechtsrat nachgesucht und dieser ihm zur Weiterführung seines Betriebes geraten hatte. Bei dieser Sachlage genügt der Umstand, dass der Angeklagte im Tatzeitraum trotz der Durchsuchungsmaßnahmen den Betrieb der Annahmestelle für Sportwetten fortsetzte, hier nicht, um einen schuldhaften Verstoß anzunehmen.
Im Ergebnis tragen die Feststellungen aber auch für den ersten Tatzeitraum die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums. Allerdings hat sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte nach den Feststellungen vor Aufnahme seines Betriebes noch keinen Rechtsrat eingeholt, sondern sich lediglich bei dem deutschen Geschäftsführer der M. informiert hatte, und die Gewerbeanmeldung zum Geschäftszweck den Klammerzusatz enthielt: „kein Wettbüro“. Dies gefährdet den Bestand des Urteils indes auch zum ersten Tatzeitraum nicht. Vielmehr kann der Senat den Freispruch aus tatsächlichen Gründen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen bestätigen. Danach hat der Angeklagte nach seiner unwiderlegten Einlassung bei der Gewerbeanmeldung auf die Frage, „ob er selbst Wetten veranstalte“, den Vertrag mit der Fa. M. und deren „Bookmaker´s Permit“ vorgelegt (UA 7). Wenn daraufhin die Verwaltungsangestellte den Angaben des Angeklagten zum Geschäftszweck „Abwicklung des Zahlungsverkehrs für staatlich lizenzierten Wettanbieter“ in Klammern den Zusatz „kein Wettbüro“ hinzufügte, so kann dem – juristisch ersichtlich nicht vorgebildeten – Angeklagten nicht vorgeworfen werden, dass er keinen weiteren Rechtsrat einholte, sondern darauf vertraute, dass er „die Wettvermittlung in der angemeldeten Form betreiben könne“ (UA 7).
Der Angeklagte ist deshalb zu Recht aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden.
3. Danach kommt es nicht mehr darauf an, dass – ausgehend von den tragenden Erwägungen der zum staatlichen Wettmonopol im Freistaat Bayern ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (1 BvR 1054/01, NJW 2006, 1261; im Folgenden: BVerfG aaO) – nach Auffassung des Senats das Sportwettengesetz des Saarlandes im Tatzeitraum mit dem Grundgesetz unvereinbar war und deshalb die Strafnorm des § 284 StGB auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht anwendbar, der Angeklagte mithin aus rechtlichen Gründen freizusprechen gewesen wäre. Dies hätte indes eine Vorlage der Sache durch den Senat gemäß Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht erforderlich gemacht, deren es jedoch mangels der dafür vorausgesetzten Entscheidungserheblichkeit der für verfassungswidrig erachteten Rechtslage (vgl. Jarass/Pieroth GG 7. Aufl. Art. 100 Rdn. 11 m.N.) hier nicht bedurfte.
Der Senat stützt seine Rechtsauffassung auf folgende Überlegungen:
a) Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Sportwettenurteil vom 28. März 2006 (BVerfG aaO) für die Rechtslage in Bayern entschieden, dass das dortige staatliche Wettmonopol in seiner gegenwärtigen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung und der dadurch begründete Ausschluss privater Vermittlung von Sportwetten „vor dem Hintergrund des § 284 StGB“ einen unverhältnismäßigen und deshalb „nach Maßgabe der Gründe“ mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbaren Eingriff in die Berufsfreiheit der an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Personen darstellt (BVerfG aaO Rdn. 79, 119).
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem staatlichen Wettmonopol legitime Gemeinwohlziele zugrunde liegen – namentlich die Bekämpfung der Spiel- und Wettleidenschaft sowie der Verbraucherschutz – und der Gesetzgeber auch von dessen Geeignetheit und Erforderlichkeit zur Bekämpfung dieser Ziele ausgehen durfte. Jedoch ist danach ein solches Monopol verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn es in seiner konkreten gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung konsequent an seinem legitimen Hauptzweck ausgerichtet ist, nämlich an der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht (BVerfG aaO Rdn. 97 ff zu den Gemeinwohlzielen, Rdn. 111 ff zur Geeignetheit, Rdn. 115 ff zur Erforderlichkeit). Dagegen scheiden fiskalische Interessen des Staates als solche zur Rechtfertigung der Errichtung eines Wettmonopols aus (BVerfG aaO Rdn. 107). An einer solchen konsequenten Ausrichtung der Regelung des Sportwettenrechts an den legitimen Gemeinwohlzielen fehlte es in Bayern:
Weder das bayerische Staatslotteriegesetz noch die Vorschrift des § 284 StGB oder die Regelungen im Lotteriestaatsvertrag gewährleisteten – so das Bundesverfassungsgericht –, dass das Spannungsverhältnis zwischen den legitimen Zielen des staatlichen Wettmonopols und den fiskalischen Interessen des Staates, der durch das eigene Wettangebot erhebliche Einnahmen erziele, nicht zugunsten letzterer aufgelöst werde und der Staat sich damit nicht in Widerspruch zu den legitimen Zielen der Monopolisierung setze. Das der Strafvorschrift des § 284 StGB zu entnehmende repressive Verbot ungenehmigten Glücksspiels beseitige das verwaltungsrechtliche Defizit einer konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Suchtgefahren ausgerichteten Gesamtregelung nicht. Dieses Regelungsdefizit spiegelte sich nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts auch in der tatsächlichen Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols in Bayern wider, indem der Vertrieb der Sportwette Oddset dem Erscheinungsbild der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung entsprach (BVerfG aaO Rdn. 125).
b) Diese grundsätzliche (so ausdrücklich BVerfG – Kammer – Beschluss vom 2. August 2006 – 1 BvR 2677/04 – Rdn. 16 [nach Juris]) Beurteilung der Rechtslage durch das Bundesverfassungsgericht ist nicht auf Bayern beschränkt, sondern hat – ersichtlich auch nach dem Willen des Bundesverfassungsgerichts – Bedeutung für alle anderen Bundesländer (so bisher ausdrücklich allerdings erst für die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen BVerfG – Kammer – Beschlüsse vom 4. Juli und vom 2. August 2006 – 1 BvR 138/05 – und – 1 BvR 2677/04; für die Übertragung der Entscheidungsgründe auf alle Bundesländer auch Dietlein K&R 2006, 307, 309). Davon geht auch der Entwurf eines neuen Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV, Stand 14. Dezember 2006 zu I. 2) aus. Jedenfalls verlangt die einschlägige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung für den Tatzeitraum auch Anerkennung für das Saarland (vgl. in diesem Sinne OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2007 – 3 W 24/06 – Rdn. 40 ff. [nach Juris], dort unter Berücksichtigung des § 284 StGB auch Rdn. 120 ff. mit Bezug auf den weiteren einschlägigen Beschluss vom 4. April 2007 – 3 W 18/06), auch wenn es bislang an einer ausdrücklichen Erklärung des Verfassungsgerichts zur Unvereinbarkeit der gesetzlichen Regelung im Saarland mit dem Grundgesetz fehlt:
Wie in Bayern, bestand im Tatzeitraum auch im Saarland ein staatliches Monopol für die Veranstaltung von Sportwetten. Der saarländische Gesetzgeber sah eine Erlaubnis für Veranstalter oder Vermittler von Sportwetten nicht vor, sondern bestimmte, dass das Alleinrecht zur Veranstaltung dem Staat vorbehalten bleibt (§ 1 Satz 4 des Gesetzes über die Veranstaltung von Sportwetten im Saarland vom 8. Juni 1951 [Amtsbl. S. 804] i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 25. März 1998 [Amtsbl. S. 402], das Gesetz zuletzt geändert durch Art. 1 Abs. 40 des AnpassungsG 2006 vom 15. Februar 2006 [Amtsbl. S. 474]). Unter Mehrheitsbeteiligung des Saarlandes wurde ein öffentliches Wettunternehmen errichtet, dessen Betrieb der Saarland-Sporttoto-GmbH übertragen wurde (§ 2 Abs.1 des o.g. Gesetzes). Die Rechtslage entsprach somit im Wesentlichen derjenigen in Bayern, die dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorlag.
Im Saarland fehlte es genau wie in den genannten Ländern im verfahrensgegenständlichen Zeitraum an gesetzlichen Vorgaben zur konsequenten Ausrichtung des staatlichen Wettmonopols am Ziel der Bekämpfung der Spiel- und Wettleidenschaft. Zwar sah das Sportwettengesetz des Saarlandes die Bestellung eines Aufsichtsrates vor (§ 2 Abs. 2 Satz 1). Auch fungierte nicht der Minister der Finanzen, sondern der Minister des Inneren als Aufsichtsbehörde (§ 3 Abs. 4; vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG – Kammer – in der Spielbankenentscheidung vom 26. März 2007 – 1 BvR 2228/02 – Rdn. 59), die etwa im Personalwesen, über die Verwendung von Überschüssen sowie über die amtlichen Wettbestimmungen und die Vertragsbedingungen mit zu entscheiden hatte. Nach welchen Kriterien aber diese Aufsichtsbefugnisse auszuüben waren, ließ sich dem Gesetz nicht entnehmen. Regelungen zu den Vertriebswegen oder zu Art und Umfang der Werbung für das staatliche Wettangebot waren nicht getroffen. Auch für das Saarland ist vor diesem Hintergrund von einer Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols auszugehen, die eine konsequente Ausrichtung am Hauptzweck der Suchtbekämpfung vermissen ließ (so auch OVG des Saarlandes aaO Rdn. [nach Juris] 41, 42).
c) Auch im Saarland war deshalb im Tatzeitraum die Berufsfreiheit des privaten Sportwettanbieters unter Zugrundelegung der tragenden Erwägungen des Sportwettenurteils des Bundesverfassungsgerichts einem unverhältnismäßigen, mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbaren Eingriff ausgesetzt (OVG des Saarlandes aaO Rdn. 42). Dies würde nach Auffassung des Senats zur Nichtanwendbarkeit des § 284 StGB auf das Verhalten des Angeklagten führen, was zu beurteilen das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich der Entscheidung der Strafgerichte zugewiesen hat (BVerfG aaO Rdn. 159; zur Straflosigkeit wie hier OLG München NJW 2006, 3588, 3592; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 5. Juli 2007 – 1 Ws 61/07 Rdn. [nach Juris] 6 ff.; ebenso Horn JZ 2006, 789, 793; Widmaier in Gutachten „Strafrechtliche Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006“, abrufbar unter www.vewu.com, zit. bei Dietlein K&R 2006, 307, 308).
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht das (bayerische) Staatslotteriegesetz nicht für nichtig erklärt (BVerfG aaO Rdn. 146), was wegen der Verwaltungsakzessorietät des § 284 StGB auch eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift ausgeschlossen hätte. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht es als „nach Maßgabe der Gründe mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar“ erklärt, dass nach dem Staatslotteriegesetz Sportwetten nur staatlicherseits veranstaltet und nur derartige Wetten gewerblich vermittelt werden dürfen, „ohne das Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten“. Auch wenn danach die in der Entscheidungsformel enthaltene Unvereinbarkeitserklärung des Bundesverfassungsgerichts nicht die Strafvorschrift des § 284 StGB unmittelbar betrifft, diese Strafvorschrift als solche vielmehr verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. BVerfG aaO Rdn. 116 ff. zum Schutzzweck der Norm vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 67 und BGHSt 11, 209, 210; auch Senat NStZ 2003, 372, 374), schränkt die Entscheidung „nach Maßgabe der Gründe“ – insoweit grundlegend anders als in dem der Entscheidung BGHSt 47, 138 zu Grunde liegenden Sachverhalt (vgl. dazu OLG München aaO S. 3592) – auch deren Anwendungsbereich ein. Denn das durch § 284 StGB begründete strafrechtliche Verbot der Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels ist Teil der Gesamtregelung, die zumindest in der Vergangenheit das den verfassungswidrigen, mit Art. 12 GG unvereinbaren Eingriff in die Berufsfreiheit begründende staatliche Wettmonopol ausmachte (BVerfG aaO Rdn. 79, 119; ebenso für das europäische Gemeinschaftsrecht EuGH in der „Gambelli“-Entscheidung aaO Rdn. 57, 72 sowie in der „Placanica“-Entscheidung vom 6. März 2007, EuZW 2007, 209 ff Rdn. 72). Dieser Zustand würde aber aufrecht erhalten, wäre die Strafvorschrift auch auf abgeschlossene Sachverhalte wie hier weiterhin uneingeschränkt anwendbar.
Dass die Frage der Strafbarkeit nicht losgelöst von der verfassungsrechtlichen Beurteilung der landesrechtlichen Gesamtregelung des Sportwettenrechts zu beantworten ist, folgt aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 284 Rdn. 14 m.N.). Davon ausgehend, ist deshalb derjenige Anbieter von Sportwetten, der in der Vergangenheit – wie der Angeklagte – nicht zunächst den Verwaltungsrechtsweg beschritten hat, um eine behördliche Erlaubnis im Sinne von § 284 StGB zu beantragen (vgl. BGH (Z) NJW 2002, 2175, 2176), nicht nach dieser Strafvorschrift strafbar, wenn die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der seinerseits die Rechte des Betreibers von Glücksspielen in verfassungswidriger Weise verletzt. So verhält es sich nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hier. Denn zumindest in den Altfällen – d.h. im Zeitraum vor dem Sportwettenurteil des Bundesverfassungsgerichts – verbot der Staat unter Androhung von Kriminalstrafe, was er selbst betrieb, ohne rechtlich und organisatorisch sichergestellt zu haben, dass er sich nicht tatsächlich mit den von ihm für das Verbot geltend gemachten Zielen in Widerspruch setzte. Hinzu kommt, dass ein auf präventive Kontrolle gerichtetes Genehmigungsverfahren im Rahmen der Regelung des staatlichen Wettmonopols auch im Saarland – anders als neuerdings etwa in Sachsen-Anhalt (vgl. dazu BVerfG – Kammer – Beschluss vom 27. September 2005 – 1 BvR 789/05 Rdn. [nach Juris] 16 ff.) – von vornherein nicht vorgesehen war, die dortige Regelung die private Vermittlung von Sportwetten vielmehr auch bei Unbedenklichkeit ohne die Möglichkeit einer Erlaubniserteilung unter Androhung von Kriminalstrafe verbot (zu diesem Gesichtspunkt OVG des Saarlandes aaO Rdn. 83 ff). Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht aber gerade den strafbewehrten Ausschluss als für den an entsprechender beruflicher Tätigkeit Interessierten „unzumutbar“ bezeichnet (BVerfG aaO Rdn. 119).
d) Diese strafrechtlichen – und auch nur die Altfälle betreffenden – Konsequenzen aus der Sportwettenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts lassen das Ordnungsrecht grundsätzlich unberührt. Denn die Gründe der Entscheidung beschränken die Weitergeltungsanordnung dahin, dass das gewerbliche Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen bis zur Neuregelung „weiterhin als verboten angesehen und ordnungsrechtlich unterbunden werden“ darf (BVerfG aaO Rdn. 158; Hervorhebung durch den Senat). Dies erklärt sich nicht zuletzt im Hinblick auf das vom Bundesverfassungsgericht selbst geschaffene Übergangsrecht. Deshalb belässt die fortgeltende Bedeutung des in § 284 StGB verankerten Verbots den Ordnungsbehörden Handlungsspielräume für die Gefahrenabwehr, wenn die Vollzugsanordnungen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) mit konkreten Gefahren für das Gemeinwohl begründet werden können (BVerfG – Kammer – Beschluss vom 27. April 2005, 1 BvR 223/05, WRP 2005, 1003, 1006; Groeschke/Hohmann in MüKo StGB § 284 Rdn. 22). Dies ändert aber nichts daran, dass eine Strafbarkeit zumindest in den Altfällen zu verneinen ist. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage der Strafbarkeit eines verbotswidrigen Verhaltens nicht etwa bejaht, sondern ausdrücklich offen gelassen (BVerwGE 126, 149 = NVwZ 2006, 1175 = GewArch 2006, 412, 415 Rdn. 44).
III.
Nach alledem hat es bei dem freisprechenden Urteil sein Bewenden. Dies gilt auch für die Entschädigungsentscheidung im angefochtenen Urteil. Soweit der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift an den Senat hilfsweise beantragt hat, diese Entscheidung aufzuheben, weil der Angeklagte die Strafverfolgung zumindest grob fahrlässig verursacht habe (§ 5 Abs. 2 StrEG), könnte der Senat dem schon deshalb nicht entsprechen, weil die Staatsanwaltschaft die Entschädigungsentscheidung nicht – wie es erforderlich gewesen wäre (vgl. Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. zu § 8 StrEG Rdn. 18) – fristgerecht mit der sofortigen Beschwerde angefochten, sondern erst im Rahmen der Revisionsbegründungsschrift beanstandet hat.