BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom
15. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2011 beschlossen:
1. Die Strafverfolgung wird mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des Betruges beschränkt.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 29. März 2010 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Betruges in 18.294 tateinheitlichen Fällen schuldig ist.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht München I hat den Angeklagten wegen unerlaubter Ausspielung in Tateinheit mit Betrug in 18.294 tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Es hat weiterhin gemäß § 111i Abs. 2 StPO festgestellt, dass es hinsichtlich der von dem Angeklagten aus der Tat erlangten Geldbeträge nur deshalb nicht auf den Verfall von Wertersatz erkannt hat, weil einer entsprechenden Anordnung Ansprüche i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB der im Urteil im Einzelnen aufgeführten Verletzten entgegenstehen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt nach der Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO zu einer Abänderung des Schuldspruchs. Im Übrigen bleibt sie erfolglos.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts gab der Angeklagte im Oktober 2008 der Regierung der Oberpfalz bekannt, dass er im Internet gegen eine „Teilnahmegebühr“ von 19 € ein „Gewinnspiel“ bestehend aus einem Quiz und einer anschließenden Verlosung durchführen wolle. Hauptpreis sollte eine dem Angeklagten gehörende Doppelhaushälfte in V. bei M. sein. Die Behörde teilte dem Angeklagten mit, dass sie sein Vorhaben angesichts des überwiegenden Zufallselements als ein erlaubnispflichtiges öffentliches Glücksspiel i.S.d. § 3 GlüStV ansehe. Um eine Bewertung als erlaubnisfreies Geschicklichkeitsspiel zu erreichen, erwog der Angeklagte eine Änderung der Spielbedingungen dahingehend, dass nunmehr mehrere Quizrunden durchgeführt werden sollten, um aus der Gesamtzahl der Teilnehmer eine zuvor festgelegte Anzahl von „Siegern“ zu ermitteln, unter denen die Preise, darunter auch das Haus, verlost werden sollten. Anlässlich einer anwaltlichen Beratung wurde ihm mitgeteilt, dass die glücksspielrechtliche Bewertung eines solchen Vorhabens unter den geänderten Bedingungen als Geschicklichkeitsspiel „vertretbar“ erscheine; jedoch sei die Rechtslage „unklar“ und weitere Schritte sollten mit den zuständigen Behörden abgestimmt werden, um „rechtswidriges Handeln“ zu vermeiden. Die Regierung der Oberpfalz wies den Angeklagten in einem weiteren Schreiben darauf hin, dass ihr schon aufgrund fehlender Unterlagen eine abschließende rechtliche Beurteilung auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten eventuellen Änderung der Teilnahmebedingungen nicht möglich sei. Außerdem teilte sie ihm vorsorglich mit, dass das Veranstalten von öffentlichen Glücksspielen ohne die erforderliche Erlaubnis eine Straftat darstelle.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 bat der Angeklagte die Regierung der Oberpfalz um die Erteilung eines Negativbescheids, wonach es sich bei dem von ihm geplanten Gewinnspiel um ein erlaubnisfreies Geschicklichkeitsspiel handele. Ohne eine Rückantwort abzuwarten, nahm der Angeklagte noch am selben Tag den Spielbetrieb über eine von ihm eingerichtete Internetseite auf. Auf dieser teilte er Spielinteressenten mit, dass die Verlosung (des Hauses) als „zulässiges Geschicklichkeitsspiel“ entsprechend den „rechtlichen Vorgaben“ konzipiert worden sei, weil in Deutschland eine reine Verlosung „leider“ nicht erlaubt sei. In den „Teilnahmebedingungen“ versicherte er nochmals ausdrücklich die rechtliche Zulässigkeit der Veranstaltung. Mit Schreiben vom 7. Januar 2009 teilte die Regierung der Oberpfalz dem Angeklagten erneut mit, dass seine Eingabe mangels hinreichender Unterlagen nicht abschließend geprüft werden könne; allerdings liege die Vermutung nahe, dass es sich bei seinem Vorhaben um ein gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV unerlaubtes Glücksspiel im Internet handele. Mit Schreiben vom 15. Januar 2009 erteilte die Regierung von Mittelfranken als die für Bayern zuständige Glücksspielaufsichtsbehörde dem Angeklagten einen entsprechenden Hinweis und drohte ihm die Untersagung des Spielbetriebes an. Diese erfolgte schließlich mit Bescheid vom 27. Januar 2009, gegen den der Angeklagte Anfechtungsklage erhob. Außerdem stellte er einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, den das Verwaltungsgericht in München mit Beschluss vom 9. Februar 2009 ablehnte. Seine hiergegen gerichtete Beschwerde sowie die von ihm erhobene Anfechtungsklage nahm der Angeklagte zurück. Außerdem stoppte er das Gewinnspiel. Eine Verlosung des Hauses fand nicht mehr statt.
Bis zur Einstellung des Spielbetriebes nahmen 18.294 Personen an dem Gewinnspiel teil, zahlreiche davon auch mehrfach, und entrichteten den vom Angeklagten geforderten Einsatz. Die höchste Einzelüberweisung an den Angeklagten lag bei 190 €; darüber hinaus zahlten einzelne Spieler in mehreren Überweisungen bis zu 874 € für ihre Spielteilnahme. Insgesamt erlangte der Angeklagte hierdurch 404.833 €. Hiervon zahlte er nicht mehr als 4.833 € an einige der Spielteilnehmer zurück. Den Restbetrag verbrauchte er für eigene Zwecke.
II.
1. Der Senat hat gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Strafverfolgung auf den Vorwurf des Betruges (§ 263 StGB) beschränkt und von einer Ahndung der Tat wegen unerlaubter Ausspielung (§ 287 StGB) abgesehen.
Die Beschränkung ist erfolgt, weil die bisherigen Feststellungen nicht ausreichen, um den Schuldspruch wegen unerlaubter Ausspielung zu begründen. So fehlen Feststellungen zu den von dem Angeklagten verwendeten Quizfragen und deren Schwierigkeitsgrad. Angesichts dessen ist es dem Senat nicht möglich, die Frage, ob es sich bei dem von dem Angeklagten im Internet veranstalteten Gewinnspiel um ein verbotenes Glücksspiel i.S.d. § 287 StGB oder um ein erlaubtes Geschicklichkeitsspiel handelt (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 287 Rn. 8 zur Abgrenzung bei Preisrätseln), abschließend zu beurteilen.
2. Danach war der Schuldspruch wie geschehen zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der nach der Beschränkung verbliebene Vorwurf des Betruges ist vom bisherigen Schuldspruch umfasst. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der zum äußeren Tatgeschehen geständige Angeklagte anders als bisher hätte verteidigen können.
III.
Die weitergehende Revision des Angeklagten ist unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
1. Entgegen der Ansicht der Revision erfüllt das vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellte Verhalten des Angeklagten sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht alle Merkmale des Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB.
a) Durch die wahrheitswidrigen Ausführungen auf seiner Internetseite rief der Angeklagte bei den Spielteilnehmern die Fehlvorstellung hervor, dass er die Rechtslage bezüglich der Zulässigkeit des von ihm angebotenen Gewinnspiels abschließend geklärt habe und dass seinem Vorhaben von Seiten der zuständigen Behörden keine rechtlichen Bedenken entgegenstünden. Eine solche Klärung der Rechtslage war vor Aufnahme des Spielbetriebes aber gerade nicht erfolgt. Aufgrund des vorangegangenen Schriftverkehrs mit den Behörden, die den Angeklagten mehrfach auf ihre rechtlichen Zweifel an der Zulässigkeit des Gewinnspiels hingewiesen hatten, und der von ihm eingeholten Auskünfte von Rechtsanwälten, die die Rechtslage ebenfalls als „unklar“ bezeichnet und ein weiteres Vorgehen nur im Einvernehmen mit den Behörden angemahnt hatten, musste er vielmehr damit rechnen, dass ihm die weitere Durchführung seines Vorhabens einschließlich der Verlosung der von ihm als Hauptgewinn ausgelobten Immobilie umgehend untersagt werden wird, wie dies dann auch tatsächlich geschehen ist.
b) Im Vertrauen auf die Zusicherung des Angeklagten erbrachten die Teilnehmer ihre Spieleinsätze und erlitten insoweit auch einen Vermögensschaden. Die Gegenleistung des Angeklagten blieb infolge der drohenden Untersagung des Gewinnspiels hinter der vertraglich geschuldeten Leistung zurück, denn der Angeklagte war grundsätzlich weder willens noch in der Lage, den überwiegenden Teil der vereinnahmten Gelder, den er schon für eigene Zwecke verbraucht hatte, im Fall einer vorzeitigen zwangsweisen Einstellung des Spielbetriebes durch die Behörden an die Spielteilnehmer zurückzuzahlen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1983 – 3 StR 300/83; BGH, Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 172/55, BGHSt 8, 289, 291). Dass er einen geringen Teil der Einsätze an einige der Spielteilnehmer – die ihm zum Teil mit einer Strafanzeige gedroht hatten – zurück erstattet hat, steht dabei der Annahme eines Betrugsschadens nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204). Das Landgericht hat die Teilrückzahlung zu Recht als bloße Schadenswiedergutmachung gewertet und bei der Strafzumessung berücksichtigt.
c) Der Angeklagte, der dies alles erkannt und gewollt hat, handelte vorsätzlich. Da es ihm zudem darauf ankam, seinen eigenen Gewinn durch die Einsätze der getäuschten Spielteilnehmer zu steigern, ist bei ihm auch die Absicht gegeben, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Der Umstand, dass er bei der Tatbegehung möglicherweise darauf hoffte, dass die zuständigen Behörden letztlich keine Einwände erheben und ihm die Durchführung des Gewinnspiels einschließlich der Verlosung gestatten würden, lässt die Annahme eines (bedingten) Betrugsvorsatzes nicht entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264 mwN).
2. Nicht zu beanstanden ist weiterhin die vom Landgericht vorgenommene konkurrenzrechtliche Bewertung, wonach sich der Angeklagte nur wegen einer Tat des Betruges in mehreren tateinheitlich zusammentreffenden Fällen strafbar gemacht hat. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren wesentliche Teile der Tatausführung „vollautomatisiert“, d.h. die Anmeldung der Spielteilnehmer, die Aufforderung zur Zahlung nach der Anmeldung, die Überwachung des Zahlungseingangs und die Übermittlung der Quizfragen erfolgten automatisch über das Internet durch den Einsatz eines Computerprogramms, ohne dass es eines weiteren Zutuns des Angeklagten bedurfte. Da seine Tathandlung im Wesentlichen in der Einrichtung und Überwachung der Internetseite bestand, über die das Gewinnspiel abgewickelt wurde, ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die an sich selbständigen zahlreichen Abschlüsse der Spielverträge mit den Teilnehmern hier als Tateinheit verbunden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2003 – 2 StR 74/03 mwN).
3. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben.
a) Allerdings ist die Annahme des Landgerichts rechtsfehlerhaft, der Angeklagte habe im Hinblick auf den von ihm verursachten Gesamtschaden das Regelbeispiel der Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB) verwirklicht. Das Landgericht verkennt hierbei, dass sich das Regelbeispiel nicht auf den erlangten Vorteil des Täters, sondern allein auf die Vermögenseinbuße beim Opfer bezieht (NK-Kindhäuser, StGB, 3. Aufl., § 263 Rn. 394). Das Ausmaß der Vermögenseinbuße ist daher auch bei Betrugsserien, die nach den Kriterien der rechtlichen oder natürlichen Handlungseinheit eine Tat bilden, opferbezogen zu bestimmen. Eine Addition der Einzelschäden kommt insoweit nur in Betracht, wenn die tateinheitlich zusammentreffenden Betrugstaten dasselbe Opfer betreffen (vgl. hierzu LK-Tiedemann, StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 298; MüKo-Hefendehl, StGB, § 263 Rn. 777; NK-Kindhäuser aaO). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Auch die Voraussetzungen des Regelbeispiels nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB liegen hier nicht vor, da sich die Vorstellung des Täters auf die fortgesetzte Begehung mehrerer rechtlich selbständiger Betrugstaten richten muss (MüKo-Hefendehl aaO Rn. 779; NK-Kindhäuser aaO Rn. 395).
b) Die fehlerhafte Annahme des Regelbeispiels nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB hat jedoch keine Auswirkungen auf die Strafrahmenwahl, da jedenfalls die Voraussetzungen des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) rechtsfehlerfrei vom Landgericht bejaht worden sind. Der Umstand, dass die Einzeldelikte der Betrugsserie hier tatein-heitlich zusammentreffen, steht dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177).
c) Weder die Schuldspruchänderung infolge der Beschränkung nach § 154a StPO, noch die rechtsfehlerhafte Annahme des Regelbeispiels nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB haben vorliegend Auswirkungen auf den Strafausspruch. Bei der Strafrahmenwahl ist das Landgericht vom Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB ausgegangen und nicht von dem des § 287 StGB. Es hat außerdem die von ihm angenommene tateinheitliche Begehung der unerlaubten Ausspielung bei der Strafzumessung nicht zum Nachteil des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt, sondern lediglich betrugsspezifische Gesichtspunkte in seine Überlegungen zur Strafhöhe einfließen lassen. Die vom Landgericht bei der Strafzumessung aufgeführte Erwägung, dass der Angeklagte zwei Tatbestandsalternativen des § 263 Abs. 3 StGB, nämlich die Nrn. 1 und 2, verwirklicht hätte, dient ersichtlich nur der näheren Erläuterung der vom Angeklagten bei der Tat aufgewendeten kriminellen Energie, zumal die geringe Höhe der bei den einzelnen Spielteilnehmern eingetretenen Schäden ausdrücklich strafmildernd gewertet worden ist. Da die verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren trotz des beträchtlichen Gesamtschadens und der erheblichen, bei der Tatvorbereitung und -ausführung aufgewendeten kriminellen Energie noch im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens liegt, kann der Senat insgesamt ausschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte, wenn es von einer Verurteilung des Angeklagten wegen einer tateinheitlich begangenen unerlaubten Ausspielung abgesehen hätte.
IV.
Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten rechtfertigt es nicht, ihn von den Kosten des Revisionsverfahrens teilweise freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Nack Wahl Graf
Jäger Sander